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Holy Spider
„Holy Spider“ ist Film der Woche. Ein hochspannender Thriller um einen realen Serienmörder vor sehr aktuellem Hintergrund von religiösem und institutionellem Frauenhass im Iran. Bei den Filmfestspielen in Cannes wurde Hauptdarstellerin Zar Amir Ebrahimi in der Rolle einer mutigen Journalistin auf der Spur des Täters als „Beste Schauspielerin“ ausgezeichnet.
Zur Einführung erleben wir einen Mord aus der Perspektive des Opfers, einer Prostituierten. Wie sie sich grob schminkt, von der schlafenden Tochter verabschiedet, von einem Freier brutal behandelt wird und schließlich zu einem Mann auf ein Motorrad steigt. Im Gegensatz zu Klassikern wie „Zodiac – Die Spur des Killers“ von David Fincher ist „Holy Spider“ kein „Whodunit“. Wir wissen bald, wer der Täter ist, und lernen Saeed (Mehdi Bajestani) in seinem Doppelleben als Familienvater mit zwei Töchtern kennen. Nur immer wieder Donnerstag, wenn Frau und Kinder bei den Schwiegereltern sind, dreht er mit dem Motorrad seine Runden im Rotlichtbezirk, nimmt eine Frau mit nach Hause, um sie dort zu erwürgen und die Leiche später am Rand der Stadt abzulegen. Über den Fundort informiert er immer einen Journalisten der lokalen Zeitung. Dass diese Gespräche nicht bei der Polizei protokoliert wurden, muss die Journalistin Rahimi (Zar Amir Ebrahimi) zu ihrem Entsetzen bald nach der Ankunft erfahren. Ihr großes Interesse gilt nicht nur dem Fall, sondern auch dem mangelnden Einsatz der Institutionen. Sie beschwert sich nicht nur immer wieder über den immanenten Frauenhass dieser Taten, sondern auch über die Missachtung der elenden gesellschaftlichen Situation der Opfer, die nicht nur vom Täter als minderwertig angesehen werden.
Schon bei ihrer Ankunft im Hotel der Pilgerstadt Maschhad muss Rahimi ihren Presseausweis zücken, um als unbegleitete Frau überhaupt ein Zimmer zu bekommen. Im schikanösen Hinweis, sie solle ihre Haare verbergen, echot die Ursache der aktuellen Unruhen im Iran. Auch die weitere Recherche ist von geringschätzenden Bemerkungen begleitet – wieso sie sich überhaupt um die Sache kümmern würde, beispielsweise. Dabei erweist sich der bisherige Einsatz der Behörden zur Aufklärung der Verbrechen als sehr mangelhaft. Nachdem auch eine schwangere Frau, die sie im Rotlicht-Bezirk interviewte, ermordet wurde, verkleidet sich Rahimi als Prostituierte, um den Täter zu überführen.
„Holy Spider“, heilige Spinne auf Deutsch, referiert auf den Stadtplan, in dessen Spinnennetz ein Frauenmörder sein Unwesen treibt. Nach dem Melodram der Mordnacht zu Beginn taucht der Film sozialkritisch ins Milieu und den Alltag von Journalistin und Täter. Die latente Frauenfeindlichkeit tritt nach Festnahme von Saeed erschreckend hervor. Statt eines Sieges der Gerechtigkeit erlauben alle beteiligten Männer die Verunglimpfung der Opfer. Im gleichen Wahn vom „Taxi Driver“ glaubt der Mörder, die Gesellschaft und die heilige Stadt mit seinen Taten „gereinigt“ zu haben. Proteste und vor allem ein noch fanatischerer Sohn nehmen das hässlich verzerrte Weltbild auf. In einer besonders harten Schlussszene spielen der Junge und seine kleine Schwester die Morde nach – auf andere Art erschütternder als die realen Taten.
Der iranisch stämmige Regisseur Ali Abbasi („Border“) lebt in Dänemark und verfolgte noch im Iran den erschütternden Kriminalfall des „Spinnenmörders“ Saeed Hanaei, der zu Beginn der 2000er-Jahre der Heiligen Stadt Maschhad 16 Prostituierte ermordete. „Holy Spider“ wurde selbstverständlich nicht im Iran gedreht, wo gefeierte Filmemacher wie Jafar Panahi („Taxi Teheran“) oder die Schauspielerin Taraneh Alidoosti („The Salesman“) im Gefängnis sind oder waren, sondern im Libanon. Ali Abbasi schafft es, im Genre des Serienmörders ein ebenso spannendes wie hochpolitisches Bild der heutigen Irans und vor allem persischer Frauen zu zeigen.
Ein FILMtabs.de Artikel
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- Publiziert von:
- Günter H. Jekubzik, 08.01.2023 / 5:47
- Rubrik:
- Kritiken GHJ
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