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Das Rätsel

Frankreich, Belgien 2019 (Les Traducteurs) Regie: Régis Roinsard, mit Lambert Wilson, Olga Kurylenko, Alex Lawther, 105 Min., FSK: ab 16

Auf der Frankfurter Buchmesse kündigt Verleger Eric Angstrom (Lambert Wilson) „Daedalus“ an, den letzten Teil der Erfolgstrilogie des geheimnisvollen Autors Oscar Brach. Von Cover und der Werbe-Kampagne her ein Dan Brown-Nachfolger. Im nächsten Schritt der Vermarktung werden neun Übersetzer für die wichtigsten Märkte in einem Luxus-Bunker unter einer Villa für zwei Monate ohne Internet oder sonstigen Kontakt zur Außenwelt eingeschlossen. Bewaffnete Russen kümmern sich um die „Sicherheit“. Jeden Tag erhalten die Lohn-Schreiber nur zwanzig Seiten des französischen Originaltextes, um zu verhindern, dass das Buch vorzeitig veröffentlicht wird. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen wird Angstrom bald erpresst: Die ersten zehn Seiten des Werkes wurden ins Netz gestellt, nur mit Zahlung von Millionen kann er vermeiden, dass die nächsten hundert folgen. Die Situation im Bunker eskaliert unter den übergriffigen und brutalen Versuchen des eiskalten Verlegers, den Verräter zu finden. Und auch die „Traducteurs“, wie sie im Originaltitel heißen, verdächtigen sich gegenseitig.

Dem griechischen Kapitalismus-Kritiker Konstantinos Kedrinos (Manolis Mavromatakis) ist das ganze Verfahren zuwider. Die Russin Katarina Anisinova (Olga Kurylenko) kleidet und sieht sich als tragische Roman-Heldin Rebecca. Der junge idealistische Brite Alex Goodman (Alex Lawther) hat die beiden ersten Bände illegal übersetzt und veröffentlicht. Die Portugiesin Telma Alves (Maria Leite) sieht schon äußerlich nach Rebellin aus. Und was ist vom Italiener Dario Farelli (Riccardo Scamarcio) zu halten, der sich unkritisch und jovial bei Angstrom anbiedert. Die literaturliebende Sekretärin Rose-Marie (Sara Giraudeau) erfüllt devot die unmenschlichen Anweisungen Angstroms. Wie die Übersetzer im Gespräch untereinander, diskutiert auch der Film über Schundliteratur und den Buchmarkt. Hat „Daedalus“ Anleihen bei Proust und Joyce oder ist es nur ein trivialer Krimi?

„Das Rätsel“ hat ein reizvolles internationales Ensemble mit Olga Kurylenko („Black Widow”, „James Bond: Ein Quantum Trost”), Lambert Wilson („Matrix Resurrections”, „Benedetta”), Sidse Babett Knudsen (TV-Serie „Borgen”, Dan Browns „Inferno“), Riccardo Scamarcio („John Wick 2”, „Im Rausch der Sterne“), Alex Lawther („The Last Duel”, „The French Dispatch”) und der deutschen Schauspielerin Anna Maria Sturm („Wackersdorf”, „Beste Chance”).

Die „Whodunit“-Frage nach dem Verräter ist nur eine Ebene dieses Krimis mit einigen Rätseln und noch mehr Überraschungen: Auf einer Schiene erzählt Angstrom selbst aus einem Besuchszimmer im Gefängnis und wir sehen nicht, mit welchem Gegenüber er spricht. Und dann gibt es auch noch die fast schon vergessene brennende Buchhandlung der ersten Szene. Für das Publikum werden Hinweise ausgestreut. Hier eine angebrannte Kopie von „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“, dort eine Erwähnung von Agatha Christies „Mord im Orient-Express“. So wird „Das Rätsel“ zum komplexen Krimi im Stil von „Ocean’s 11“ mit ein wenig Hochspannung vor dem Hintergrund der Literatur-Diskussion um Kunst oder Kommerz. Der interessante Regisseur und Koautor Régis Roinsard („Mademoiselle Populaire“, „Warten auf Bojangles“) hat seine Geschichte so raffiniert verschachtelt, dass es manchmal unübersichtlich wird, aber immer packend bleibt.

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Ein FILMtabs.de Artikel