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Pearl

USA 2022, Regie: Ti West, mit Mia Goth, David Corenswet, Tandi Wright, 103 Min., FSK: ab 18

In überkandidelten Hollywood-Musicals wie „Der Zauberer von Oz“ schlummerte schon immer die Saat des Wahnsinns. So ist es nur konsequent, dass Regisseur Ti West in der Vorgeschichte seines überraschend erfolgreichen Independent-Horrors „X“ eine Judy Garland-Figur zum blutrünstigen Monster werden lässt. Im Texas des Jahres 1918 lebt die junge Pearl (Mia Goth) auf einer kleinen Farm mit ihren deutschstämmigen Eltern. Ihr Mann kämpft im fernen europäischen Krieg. Raus aus dem Zwang der puritanischen Mutter (mit einem furchtbar „deutschen“ Dialekt) träumt Pearl sich in Rollen von Judy Garland und anderen Kinostars. Die Süßlichkeit dieser Tagträume wird allerdings heftig kontrastiert von ihren Wutausbrüchen. Zuerst wird eine Gans aufgespießt und an Pearls Lieblingskrokodil verfüttert. Später folgen Menschen, die an ihr zweifeln. Große Hoffnung legt die eigenwillige Frau in ein Tanz-Casting in der Stadt, die nicht nur wegen der Spanischen Grippe gefährlich ist. (Corona lässt mit Masken grüßen.) Ein Kinovorführer unterstützt sie, will sie mit nach Europa nehmen, schreckt aber vor Pearls Ausbrüchen zurück.

Mia Goth, die schon in Ti Wests „X“ die Hauptrolle spielte, kann hervorragend eine wahnsinnige junge Frau geben. Das bewies sie erst kürzlich mit „Infinity Pool“. Sie hat sich die Rolle der Pearl als Koautorin zusammen mit dem Regisseur und als ausführende Produzentin auf den Leib geschrieben. Auch wenn „Pearl“ sein „FSK ab 18“ mit heftigem Splatter verdient, liegt der Fokus auf einer faszinierend irren Psyche. Pearls „Gothic“-Horror ist ein erschreckendes Vergnügen, wenn die Bestandteile von „Der Zauberer von Oz“, die unheimliche Vogelscheuche und die knalligen Technicolor-Farben, zu Szenen voller Sex und Gewalt kippen. Genauso fesselnd ist ein sehr langer Monolog als Geständnis und Seelen-Striptease. Hängen bleiben nicht die Gewalttaten, sondern die Gesichtsausdrücke Mia Goths von ekstatischer Freude und mörderischer Wut. Ganz gegenwärtig wird die alte Geschichte mit ihrem verzweifelten Aufschrei „No, I am a star!“ – Nein, ich bin ein Star!

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Ein FILMtabs.de Artikel