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Neneh Superstar

Frankreich 2022, Regie: Ramzi Ben Sliman, mit Oumy Bruni Garrel, Maïwenn, Aïssa Maïga, 98 Min., FSK: ab 6

Schreiend vor Glück feiert die 12-jährige Neneh (Oumy Bruni Garrel) die Aufnahme an der renommierten Ballettschule der Pariser Oper. Als einziges schwarzes Mädchen aus der Banlieue unter lauter reichen weißen Kindern. Beim Vortanzen kann sie im Gegensatz zu den weißen Prinzesschen mit ihren vielen Preisen und teuren Lehrern nur das Studium von YouTube-Videos und viel Leidenschaft vorweisen.

Die Auswahl im Kreise der Lehrer ist dann eine heftige Ansammlung von Rassismen: Die dunkle Hautfarbe wäre eine Ablenkung auf der Bühne, Schwäne im Schwanensee seien doch weiß … Dazu pur rassistische Meinungen über „den schwarzen Körper“. Vor allem die Direktorin des Balletts Marianne Belage (Maïwenn) erweist sich als Gegnerin Nenehs und als Intrigantin. Doch der Chef der Oper bringt mit seinem letzten Wort das Mädchen auf die Internatsschule. Was Neneh enorm glücklich macht – mitreißend gespielt von der Newcomerin Oumy Bruni Garrel, übrigens adoptierte Tochter der Schauspielstars Valeria Bruni Tedeschi und Louis Garrel.

Das sehr lebendige Mädchen lässt sich von den vielen Vorbehalten und dem ekligen Mobbing ihrer elitären Mitschülerin nicht in ihrer unerschütterlichen Begeisterung bremsen. Aber wenn sie sich gegen die fiesen Aktionen der anderen Tänzerinnen wehrt, bekommt nur sie einen Verweis. Und als sie als beste Tänzerin der Klasse trotzdem nicht die Hauptrolle des Schneewittchens tanzen darf, kommt es zum Eklat mit der Direktorin Belage.

„Neneh Superstar“ ist keiner der inflationären Mixfilme aus Hiphop und klassischem Ballett, auch wenn Neneh ihre starken Emotionen immer im modernen Tanz ausdrückt. Es gibt auch nicht die üblichen Drogen- und Kriminalitätsklischees aus den Banlieues, sondern einen rührend starken Rückhalt der Familie. Der ungesunde Körperwahn wird bei der regelmäßigen Vermessung der Körperteile gestreift, ansonsten isst das unbekümmerte Mädchen dauernd und ignoriert Diäten. Während die Erfolgsgeschichte von Neneh mit vorhersehbaren Konflikten verläuft, entwickelt sich ihre Gegnerin Belage zu faszinierend vielschichtigen Figur: Die extrem strenge Direktorin stammt selbst aus den Banlieues und ist nordafrikanischer Herkunft. Sie änderte ihren arabischen Namen Myriam Bel-Hadj in den französischen Marianne Belage, Kontaktlinsen machen ihre braunen Augen blau. Der gleiche Hintergrund führt aber nicht zu Solidarität. Im Gegenteil: So wie Myriam / Marianne ihre eigene Vergangenheit ausgemerzt hat, will sie auch Neneh von der Schule verschwinden lassen. Als eine Journalistin Diversität und soziologische Hintergründe an der Schule untersucht, bricht die Lüge zusammen.

Diese beiden Schicksale geben in einem nicht überdramatischen und auch für ältere Kinder geeigneten Film eine Ahnung von der Ausgrenzung wegen Hautfarbe und Herkunft. Dank toller Darstellung der komplexen Charaktere und dank der positiven Haltung von Neneh wurde es ein Mut machender Film.


Ein FILMtabs.de Artikel