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Sonne und Beton

Deutschland 2022, Regie: David Wnendt, mit Levy Rico Arcos, Vincent Wiemer, Rafael Luis Klein-Heßling, 119 Min., FSK: ab 12

„Beton und Sonne“, die Geschichte von vier jungen „Opfern“ in Berlin-Gropiusstadt des Sommers 2003, ist die schockierende Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Comedian und „Gemischtes Hack“-Podcaster Felix Lobrecht durch David Wnendt („Kriegerin“, „Feuchtgebiete“, „Er ist wieder da“). Das deprimierende Drama wirkt vor allem durch ungeschönte Sprache authentisch.

Zum Auftakt bekommen Lukas (Levy Rico Arcos) und seine Kumpels brutal Prügel von jugendlichen Dealern, nachdem der Junge gegen seinen Willen an der falschen Stelle durch den Park gegangen ist. Schuld ist wieder einmal Julius (Vincent Wiemer), selbstverliebter Vollidiot der Truppe. Der sorgt auch bei befreundeten Dealern dafür, dass die Situation weiter eskaliert. Am Ende ist ein Arm gebrochen und Lukas soll den Dealern 500 Euro zahlen – dabei haben die Jungs nicht mal Geld fürs Schwimmbad und keinen einzigen Geldschein in den Taschen. Zusammenhalt ist in der Notsituation nirgendwo zu finden. Als Lukas‘ neuer Freund Sanchez (Aaron Maldonado-Morales) mit der Idee kommt, die Schulcomputer zu klauen, denkt jeder nur an seinen eigenen Anteil.

So verläuft ein Horror-Schultag für Lukas. Alles fing damit an, dass er schwänzen musste, weil er seinen Schulausweis nicht findet. Zu Hause gibt es wenig Hilfe: Der überforderte, alleinerziehende Vater hat als Leitfaden „Der Klügere gibt nach“, während der bewunderte ältere Bruder seinen scheinbaren Erfolg in der Gangster-Szene mit der Maxime „Der Klügere tritt nach“ begründet.

Die Schule, in der regelmäßig Stühle und Tische fliegen, ist ebenso überfordert. Vor allem der hilflose Lehrer Herr Sonntag, der immer nur Mittwoch genannt wird. Ein Lehrer, der zwar an Lukas glaubt, aber rechts und Rassist ist. So bleiben dem Jungen nur die Angst und die Schreckschuss-Pistole von Julius’ älterem Bruder, die zum Schrecken aller mit echten Kugeln schießt. Die soziale Hölle dieser Jugend bringt im Kino zwei Stunden Entsetzen angesichts der allgegenwärtigen Gewalt.

Gut und ernst zu nehmen ist das Szene-Drama, weil jeder der vier Freunde seinen eigenen Hintergrund bekommt: Der unendlich dumme Julius reitet immer wieder alle rein, hat aber seine schwere Geschichte mit einem älteren kriminellen Bruder. Gino (Rafael Luis Klein-Heßling) erlebt zuhause blutige Prügel durch den gewalttätigen Vater und spart für eine Flucht mit der Mutter nach Italien.

„Beton und Sonne“ ist farbiger Neo-Realismus aus Berlin des Jahres 2003 – es wird nicht allzu viel Kunst um die brutal harte Jugend in dieser Gegend gemacht. Höchstens mal bekommt die Prügel von Ginos Vater einen Teppich aus Opernmusik unterlegt. Ansonsten wird die Handlung authentisch von Musikern und Hiphop-Stars wie Luvre47, Lucio101, Juju, Olexesh, NNOC, Azzi Memo, Klapse Mane und AOB begleitet. Das ist kein Spaß wie die Ghetto-Biografie, „Rheingold“ von Fatih Akin. Aber wirkungsvoll erschreckend und bedrückend wegen der Härte der Ereignisse und wegen des tollen Spiels der vier Laiendarsteller in den Hauptrollen.

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Ein FILMtabs.de Artikel