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Triangle of Sadness

Schweden, Deutschland, Frankreich, Dänemark 2022, Regie: Ruben Östlund, mit Harris Dickinson, Charlbi Dean, Woody Harrelson, Iris Berben, Sunnyi Melles, 147 Min., FSK: ab 12

Der Cannes-Sieger 2022 „Triangle of Sadness” entführt auf Kreuzfahrt und einsame Insel. Doch statt Traumschiff gibt es Kotz-Orgien im Stil von „Little Britain“ und das bitterböse Sezieren gesellschaftlicher Machtverhältnisse. Regisseur Ruben Östlund, der schon mit „The Square“ vor fünf Jahren die Goldene Palme gewann, entwirft ein Triptychon rund um die Models Carl (Harris Dickinson) und Yaya (Charlbi Dean), die sich als Influencer in Sachen Schönheit durchs Leben schlagen. Zuerst in einem Streit zu zweit, dann auf einem Luxusschiff im Sturm und schließlich hilflos gestrandet.

In die Welt der Models führt uns ein überkandidelter Reporter, während sich Carl für einen Job vorstellt. Am Abend essen Carl und Yaya zusammen in einem luxuriösen Laden. Obwohl – zusammen? Die Influencerin ist eher mit ihrem Handy beschäftigt und ignoriert sowohl ihren Partner als auch die Rechnung auf dem Tisch zwischen ihnen. Was zu einem heftigen Streit führt, bis sie gesteht, dass es für sie ein weibliches Machtspielchen sei, das Bezahlen zu vermeiden. Auch wenn sie einiges mehr verdient als er.

Für eine Reise auf einer Luxusjacht reicht es noch, wie der zweite Teil zeigt. Wir sehen das schöne wie eitle Pärchen, aber auch die Scharen von Angestellten, die sie nach Motivationsgeschrei den ganzen Tag von vorne und hinten bedienen. Ein gefundenes Fressen für Ruben Östlund, der die Klassen-Diskrepanz in vielen bösen Szenen ausspielt. Da ist die aufs Abstellgleis geschobene Ehefrau Vera (großartig: Sunnyi Melles) des schweinisch reichen russischen Düngemittel-Herstellers Dimitry (Zlatko Burić), die meint, auch die Angestellten sollten mal schwimmen. Worauf die Köche, Mechaniker, die Stewardessen und Stewards und die Putzfrauen sich widerwillig anstellen müssen, um einmal ins Meer zu rutschen. Carl, der so für Gerechtigkeit beim Bezahlen kämpfte, sorgt dafür, dass ein griechischer Deckarbeiter vom Schiff gehen muss. Eifersüchtig beschwerte er sich über den nackten Oberkörper des Arbeiters. Der Höhepunkt dieser Konfrontation ist die besoffene Diskussion zwischen Kapitän Thomas Smith (Woody Harrelson) und dem Düngemittel-Russen. Der Kapitän lallt Marx-Zitate über alle Lautsprecher des Schiffes, der Kapitalist antwortet mit Sprüchen von Ronald Reagan. Derweil übergibt sich der Rest des Schiffes während eines aus den Fugen geratenen Captains Dinners mitten im heftigen Sturm.

Dass der Kahn schließlich sinkt, liegt aber am Anschlag von einigen Piraten. Es stranden aus der Gruppe der Superreichen Carl, Yaya und der Russe. Dazu Paula (Vicki Berlin), die Domina-Chefin des Kabinen-Personals, und die Putzfrau Abigail (Dolly De Leon). Blöderweise ist sie die Einzige, die Fischen und Feuermachen kann, was die Machtverhältnisse radikal verkehrt. Auch der Wert der Schönheit wird hier reduziert auf eine Packung Salzstangen, die Carl dafür bekommt, dass er die Nacht mit Abigail verbringt.

Der neue soziologische Analyse-Spaß des Schweden Ruben Östlund unterhält durchgehend mit scharfer Bloßstellung von gesellschaftlicher Ungerechtigkeit und der gnadenlosen Demaskierung des feinen Scheins. Nicht zufällig und wie schon beim Vorgänger „The Square“ spiegeln feierliche Essen und Empfänge den Zustand der Gesellschaft. Damals sorgte ein Schauspieler, der seine Affenrolle extrem ins Animalische ausspielte, für beklemmende Situationen. Nun sorgt heftiger Wellengang für ein allgemeines Übergeben und die Meeresfrüchte für immensen Durchfall. Purer Slapstick der fäkalen Sorte, passend zum Russen, der damit prahlt, dass er durch Fäkalien reich geworden ist.

Spätestens auf der Insel ist Östlunds Analyse-Besteck feiner: Die Gesichtsausdrücke der Mächtigen, die mal schnell, mal langsamer erkennen, dass sie nun machtlos sind, amüsieren jeden Linken köstlich. Abigail selbst hat im Finale den eindringlichsten Moment, der die grausame Kluft zwischen Reichen und Dienerschaft zu einer schwergewichtigen Entscheidung bringt. Iris Berben wird mit ihrer Rolle einer reichen Schlaganfall-Patientin, die nur noch „In den Wolken“ sagen kann, eher vom Film mitgeschleppt, bekommt aber einen großen Moment im Schluss-Gag. Charlbi Dean, die Darstellerin der Yaya, ist am 29. August nur 32-jährig verstorben. Zum Dreh sagte sie: „Ich fühle mich so sehr mit der gesamten Besetzung und Crew verbunden – es sind Freunde geworden, die ich für immer haben werde.“


Ein FILMtabs.de Artikel