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Sisi & Ich

Deutschland, Österreich, Schweiz 2023, Regie: Frauke Finsterwalder, mit Sandra Hüller, Susanne Wolff, Stefan Kurt, 132 Min., FSK: ab 12

Es hat etwas von Sisi-phos, dieses aktuelles Abarbeiten am Sisi-Mythos: Nach einer Flut von Sisi-Filmen und -Serien zeigt „Sisi & Ich“ noch eine „moderne“ Kaiserin mit Emanzipationsbestrebungen. Die Perspektive ist diesmal allerdings die der adeligen Kammerzofe Irma Gräfin von Sztáray und ihrer Befreiung vom Gefühlsregime Elisabeths. Sandra Hüller verkörpert Irma mit ihrem eigentümlichen Spiel als zeitlose Figur.

Regisseurin und Ko-Autorin Frauke Finsterwalder wusste während der Arbeit an „Sisi & Ich“ nichts von der parallel entwickelten RTL-Serie „Die Kaiserin“ und dem anderen Kino-Film „Corsage“ von Marie Kreutzer. Doch beginnt ihr ahistorischer Film exakt gleich mit so einer Corsage, die in den Zeiten von Kaiserin Elisabeth von Österreich (1837-1898) einschnürten, bis die Frauen nicht mehr atmen konnten – symbolisch und ganz konkret. Dazu singt Beth Gibbons von Portishead „Wondering Star“. Zurechtgemacht für den öffentlichen Auftritt wird hier Irma Gräfin von Sztáray (Sandra Hüller). Die Tauglichkeitsprüfung für den Job der Kammerzofe Elisabeths ähnelt dann gar einer Viehbeschau mit Abtasten des Körpers und Inspektion des Gebisses. Später kommen ein paar Sprints unter griechischer Sonne als Fitness-Test hinzu.

Dabei lebt Elisabeth von Österreich-Ungarn (Susanne Wolff) zu dieser Zeit gerade maximal ungebunden auf der griechischen Insel Korfu. Das bauschige Gewand Irmas wird direkt verbrannt, schlicht geschnittene Kleider und Wanderschuhe sind hier gefragt. „Dicke Menschen und Männer“ dagegen nicht erwünscht, so gebietet die bulimische Herrscherin. Bei einer extremen Diät dünner Suppen und Kokain-Tropfen ist auch Langeweile verboten. So erlebt Irma lange Wanderungen, befreiende Klippen-Sprünge ins Meer, den exzentrischen, schwulen Bruder (Georg Friedrich) von Kaiser Franz (Markus Schleinzer) und einen vom Hasch benebelten Ausflug nach Algier. Bis die Kaiserin wieder an den Hof zurückgerufen und schließlich in Genf erstochen wird.

Mit auffallend moderner Kleidung (Kostüme: Tanja Hausner) und heutigen Popsongs betonen Regisseurin Frauke Finsterwalder und ihr (Schreib-) Partner, der Schriftsteller Christian Kracht („Eurotrash“, „Faserland“, „Imperium“), die Zeitlosigkeit der Emanzipation von Frauenrollen. Im Gegensatz zu „Corsage“ mit Vicky Kriebs als Elisabeth stehen nicht die Freiheitsbestrebungen der Kaiserin zentral. Sie lernen wir zu einem Zeitpunkt größtmöglicher Entfernung vom Hofe kennen. Unter ihrem Diktat leiden jedoch Irma und die eifersüchtigen androgynen Zofen Fritzi (Sophie Hutter) und Marie (Maresi Riegner). Bei „Sisi & Ich“ entwickelt sich das erzählende „Ich“ Irma von einer erwachsenen Frau, die noch unter der Fuchtel der Mutter steht, zu einer Unabhängigen, die sich jeder Kontrolle entledigt, wie eine gewagte Uminterpretation von Elisabeths Tod zeigt. Das ist auch dank des Spiels von Sandra Hüller („Toni Erdmann“) immer wieder komisch und in einigen starken Momenten so besonders atmosphärisch wie die Episoden in Finsterwalders Debüt „Finsterworld“ aus dem Jahr 2013. Aber in der Hitparade der emanzipatorischen Sisi-Filme bleibt der verspielte „Sisi & Ich“ in Schauspiel und gewagten Bildern deutlich hinter Marie Kreutzers „Corsage“ zurück.

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Ein FILMtabs.de Artikel