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Call Jane

USA 2021 Regie: Phyllis Nagy mit Elizabeth Banks, Sigourney Weaver, Chris Messina, 121 Min., FSK: ab 12

Wie die schwangere Joy von einem Kreis heftig rauchender Ärzte erfährt, dass ihr eigenes Leben im Vergleich zum Ungeborenen nichts wert sei, wäre gute Satire – wenn es nicht so furchtbar wahr ist: 1968 in Chicago, die Schwangerschaft schwächt das Herz der wohlsituierten Anwaltsgattin lebensbedrohlich, doch Abtreibung wird selbst in solchen Fällen nicht erlaubt. Alleine dem Horror illegaler Schwangerschaftsabbrüche ausgesetzt, bringt ein Aushang die Rettung: „Pregnant? Need help? Call Jane!“ („Schwanger? Hilfe? Ruf Jane an!“). Während die mitfühlende Gwen zum Eingriff begleitet, versucht Joy herauszufinden, wer denn Jane sei. Tatsächlich verbarg sich hinter dem Namen nach historischen Fakten ein Kollektiv engagierter Frauen. Die Führung beim „Jane Collective“ hat im Film, der einen schweren Kampf auch mit Humor und etwas Rührung nachzeichnet, eine endlich mal wieder groß aufspielende Sigourney Weaver als Virginia. Die Hauptrolle der sich mutig emanzipierenden Joy zeigt in vielen Nuancen zwischen Angst und Euphorie die auf die Weise selten zu sehende „lustige Blondine“ Elizabeth Banks. Erinnert man sie doch aus „Die Tribute von Panem“ oder „Pitch Perfect“ eher oberflächlicher.

Dass der anhaltende Kampf um selbstbestimmtes Leben für Frauen nach Mike Leighs „Vera Drake“ und Cristian Mungius „4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage“ wieder in einem starken historischen Film behandelt wird, ist nicht nur wegen der neuerlichen Entscheidung des Obersten Gerichts der USA leider brennend zeitgemäß. „Call Jane“ begeistert dabei vor allem zu Beginn mit vielen, genau beobachteten Details, welche Zeitumstände und Leben einer hochintelligenten Frau in der Nixon-Ära nachempfinden lassen. Eine breit angelegte Sicht auf das Thema bringt sogar das Problem der Intersektionalität in die schwierige Entscheidung der Gruppe, welche der in vielfältiger Weise unterdrückten und misshandelten Frauen für den Eingriff ausgewählt werden. Die Bühnenautorin und Regisseurin Phyllis Nagy inszenierte bislang zwar nur „Mrs. Harris“ fürs TV, wurde aber mit ihrem Drehbuch zu Todd Haynes’ „Carol“ für einen Oscar nominiert. Das „Jane Collective“ führte, bis es 1972 aufflog, circa 11.000 Abtreibungen durch, ohne dass eine Frau dabei starb. Diese Arbeit wurde 1973 unnötig, als sich der Supreme Court im Fall „Roe v. Wade“ für das Recht auf Abtreibung aussprach. Das gleiche Gericht, das nun die Uhren wieder zurückdrehte.


Ein FILMtabs.de Artikel