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Das Leben ein Tanz

Frankreich, Belgien 2022 (En corps) Regie: Cédric Klapisch, mit Marion Barbeau, Hofesh Shechter, Denis Podalydès, 118 Min. FSK: ab 12

Ein Fehltritt kann das Leben verändern – besonders beim klassischen Tanz. In Cédric Klapischs sympathischen und menschlich warmen Tanzfilm „Das Leben ein Tanz“ ist dies mit mehrfacher Bedeutung aufgeladen: Die 26-jährige Balletttänzerin Elise (Marion Barbeau) sieht vor ihrem großen Auftritt in einer Hauptrolle, wie ihr Freund und Tanzpartner eine Kollegin intim küsst. Die Aufregung nach seinem Fehltritt bringt sie zu einem Fehltritt auf offener Bühne. Mit einem Schmerzensschrei bricht sie zusammen. Ende der Vorstellung. Und auch der Karriere?

Die Ärztin sagt ihr, sie müsse diesen nächsten Bänderriss nun gründlich ausheilen lassen und dürfte ein bis zwei Jahre nicht tanzen. Der befreundete Therapeut will hingegen Schulmedizin ignorieren und drängt mit esoterischem Geschwafel vom Trennungs-Trauma zum Weitermachen. Er hat sich allerdings sowieso längst disqualifiziert. Zwar ist es tatsächlich heftig, dass seine Freundin ihn mit dem Freund von Elise betrogen hat. Doch dass diese den heulenden Hanswurst am Ende massiert, ist dann eine nette Lachnummer. Die sehr schön den Ton von Klepischs keineswegs dramatisch nachgezeichneter Lebenswende festlegt. Wer „Black Swan 2“ erwartet, wird enttäuscht.

In „Das Leben ein Tanz“ geht es nicht so sehr um dunkle Rivalitäten wie in „Black Swan“ von Darren Aronofsky. Klepisch sagte dazu: „Ich gebe zu, dass mich Black Swan nicht überzeugt hat. Besonders störte mich, dass Natalie Portman in den meisten Tanzszenen von einer Tänzerin gedoubelt wurde, so wie man das in Actionfilmen mit Stuntleuten macht. Ich halte es in einem Film über den Tanz für notwendig, dass alle, die spielen, auch tanzen. Wer vom Tanzen erzählen will, muss vom Körper der Tänzer ausgehen. Die Darsteller die mitspielen, müssen auch proben und tanzen.“ Was bei Hauptdarstellerin Marion Barbeau in ihrem ersten Spielfilm gegeben ist: Sie begann bereits im Alter von sechs Jahren mit dem Tanzen. An der Pariser Oper nahm man sie 2008 als Balletttänzerin und 2016 gab ihr neben Benjamin Millepied die Rolle der Heldin in Dmitri Tcherniakovs „Diptychon Iolanta – Der Nussknacker“. Seit 2018 ist sie Erste Tänzerin des Balletts der Opéra national de Paris.

So schickt Klepisch, der Entdecker großer Schauspieltalente wie Romain Duris, Garance Clavel, Madame Renée oder Marine Vacth nun Marion Barbeau als Elise auf eine eher neugierige als verzweifelte Neuentdeckungs-Tour ihrer selbst. Der Regisseur erzählt mit der für ihn typischen Leichtigkeit, an die man sich im übrigen Kino-Umfeld erst wieder gewöhnen muss. Leicht geknickt sieht Elise erst begeistert die Tanztruppe von Hofesh Shechter bei einer Art Street Dance. Dann reist sie mit Freunden zu einem Künstler-Resort in der Bretagne; die Freunde kochen, sie hilft aus. Nach Sängern und Musikern taucht schließlich ausgerechnet die Truppe von Shechter auf, der sie voller Bewunderung mitmachen lässt. Und ganz erstaunlich erweist sich dieser andere, lockerere Tanz wie Balsam für Seele und Körper Elises, die seit ihre Kindheit nichts anderes als die harte Schule des Balletts kannte: Diese Bewegung hat „mehr Bezug zur Erde und Wirklichkeit. Jetzt suchen meine Füße den Kontakt zum Boden zur Erde, statt ihr zu fliehen. Es ist ursprünglicher, mehr animalisch, ich liebe das!“

Bei aller Leichtigkeit im Spiel geht es immerhin um eine große Frage: Wie gibt man seine Träume auf und findet andere Ziele? Ein zweites Leben, ein anderes Leben. Was für Elise besonders schwer ist. In einem sehr interessanten Gespräch mit der Gastgeberin, die, weil selbst ohne Talent, gern kreative Menschen um sich versammelt, meint diese: „Du hattest immer Glück, du hattest Talent und einen einfachen Weg. Vielleicht ist es gut, dass du’s mal nicht einfach hast.“ Nebenbei lässt „Das Leben ein Tanz“ nach einem diskriminierenden Fotoshooting in Hochzeitskleidern über Frauenrollen im klassischen Ballett nachdenken.

Cédric Klapisch, geboren 1961 in Neuilly, erzählt in seinen Filmen immer wieder vom Wandel, von der Öffnung einer Person und zeigt wie jemand glücklich in einer Gruppe aufgeht. So in seinem ersten Erfolg seiner bisherigen 14 Spielfilme, „…und jeder sucht sein Kätzchen“ (Chacun cherche son chat, 1996). Ganz besonders selbstverständlich im bekanntesten, dem „Erasmus-Film“ „L’Auberge Espagnole – Barcelona für ein Jahr“ (2002) mit Romain Duris. „Das Leben ein Tanz“ ist nun ein weiterer großer Publikumserfolg mit über 1,3 Millionen Zuschauern bisher in Frankreich.


Ein FILMtabs.de Artikel