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Alcarràs – Die letzte Ernte

Spanien, Italien 2022 (Alcarràs) Regie: Carla Simón, mit Jordi Pujol Dolcet, Berta Pipó, Ainet Jounou, 120 Min., FSK: ab 6

Der Gewinner der diesjährigen Berlinale zeigt eine spanische Großfamilie am Rande einer Zeitenwende in einem lebendigen Sommer-Kaleidoskop. „Alcarràs – Die letzte Ernte“ lässt drei Generation in authentischen Momenten feiern, streiten und kämpfen.

Das Wrack eines Renault R4 ist für die Kinder der Familie Solé ein fantastisches Raumschiff auf dem Weg zur Sonne … bis eine monströse Maschine auftaucht: Ein Bagger klaut ihnen ihr „Spielzeug“. Zuhause bei den Solés ist schon eine Nachricht angekommen, die mit dem Aufräumen des Baggers zusammenhängt. Seit 80 Jahren haben sie auf diesem Land Pfirsiche geerntet. Doch nun will der Großgrundbesitzer Pinyol dort eine Photovoltaik-Anlage errichten. Die Bauern müssen wegziehen. Dabei wurde Großvater Rogelio (Josep Abad) einst die Ländereien versprochen, weil er im Spanischen Bürgerkrieg die Familie der Pinyols im Keller versteckt und ihnen so das Leben gerettet hatte. Nur gibt es kein Dokument für diese Schenkung und der sich clever glaubende Pinyol Junior will sich nicht an alte Vereinbarungen erinnern.

In Aufregung und Ratlosigkeit macht der herrische, übermäßig strenge Solé-Sohn Quimet (Jordi Pujol Dolcet) weiter wie immer, treibt die ganze Familie zur anstehenden Pfirsichernte an. Sein Schwager Cisco interessiert sich derweil für das Angebot, für die Energie-Firma zu arbeiten, was zu weiteren Konflikten führt. Unter dem Streit der Brüder um die Zukunft leiden die kleinen, unzertrennlichen Kinder Iris, Pau und Pere, die nicht begreifen, weshalb sie nicht mehr miteinander spielen können. Der Senior Rogelio versucht es versöhnlich und bringt dem Enkel Pinyols die Früchte eines Feigenbaums, die seinem Großvater durch die Hungersnot halfen, um an das damalige das Versprechen zu erinnern.

Alcarràs ist ein kleines Dorf in Katalonien, wo die Familie der Regisseurin Carla Simón Pfirsiche anbaut. Für sie ist der Film „Alcarràs“ „eine Hommage an die Widerständigkeit der letzten Familien von Landwirten, die in unserer westlichen Welt jeden Tag mehr vom Verschwinden bedroht sind. Eine Geschichte über die Verbundenheit mit dem Land, über Familienbeziehungen und die Spannung zwischen den Generationen, über die Notwendigkeit, Althergebrachtes zu überwinden, über die Bedeutung des Familienzusammenhalts in Krisenzeiten.“ Denn tatsächlich dreht sich überhaupt nicht alles in diesem schönen „Familienfilm“ um den drohenden Abschied. Mit der harten Arbeit auf den Feldern, den Feiern, den Streits und sogar dem spürbaren Wetter bildet der Sommer von „Alcarràs“ mit seinen vielen gleichzeitigen Stimmungen ein reiches Kaleidoskop des Lebens in mehreren Generationen. Die unbekümmerten Kinder finden immer wieder neue Spiele, die ältere Tochter übt für einen Tanzauftritt, der ungeliebte Sohn von Quimet lebt sich in wilden Partys aus und pflanzt heimlich Marihuana im Maisfeld.

Mit Laiendarstellern und der vertraut nahen Kamera von Daniela Cajías fängt Simón vor allem Lebensfreude ein. Und trotzdem ist „Alcarràs“ eine große, schreckliche Parabel für Vergänglichkeit, wenn die Familie am Ende zusammensitzt und zusehen muss, wie der Bagger die Pfirsichbäume zerstört.


Ein FILMtabs.de Artikel