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Supernova (2020)

Großbritannien 2020 Regie: Harry Macqueen, mit Colin Firth, Stanley Tucci 95 Min. FSK ab 12

Seit zwanzig Jahren sind der berühmte Pianist Sam (Colin Firth) und der Schriftsteller Tusker (Stanley Tucci) ein Paar. Nachdem Tusker vor zwei Jahren mit Demenz diagnostiziert wurde, hat Sam seine Arbeit aufgegeben, um sich um seinen Partner zu kümmern. Nun, da sich die Anzeichen der Krankheit mehren, brechen sie in einem alten Camper zur letzten gemeinsamen Reise auf. Dass es für Tusker auch im übertragenen Sinn eine „letzte Reise“ sein soll, weiß sein Mann allerdings noch nicht.

Für beide steht ein Rollentausch an, der ruckelig vor sich geht: Früher war Tusker für Sam stets der Fels in der Brandung, jetzt ist es an Sam, die Kontrolle zu übernehmen. Eine längere Szene im Cockpit des Campers macht es schön und humorvoll deutlich: Zwar hat Sam das Steuer übernommen, doch Tusker muss ihm sagen, welcher Gang der bessere ist und auch sonst alles kommentieren. Ein altes Paar halt! Der Autor, der in seinem Notizbuch nur noch krakelige Linien zustande bringt, läuft schon manchmal verwirrt durch die Gegend. Und doch ist er in vielen Momenten noch der klarere, nüchternere von beiden. Ihm verbleiben die sehr passenden Beschreibungen seiner extremen Situation: „Ich werde zum Passagier meines Lebens.“

Demenzfilme sind mittlerweile ein eigenes Genre, manchmal sogar mit Reise in den Tod, wie bei „Das Leuchten der Erinnerung“ mit Helen Mirren und Donald Sutherland als an Alzheimer erkrankter Ehemann. Sehr gelungen „Iris“ mit Judi Dench als Schriftstellerin Iris Murdoch, die an Alzheimer erkrankte. Sally Potter, die ausgezeichnete und renommierte Regisseurin von „Orlando“ und „The Party“, erlebte die Demenz bei einem jüngeren Bruder, sie drehte danach „Die Wege des Lebens“ mit Javier Bardem als dementem Schriftsteller. Ian McKellen verlor als Sherlock im rührenden „Mr. Holmes“ von Bill Condon seine Erinnerung. „Honig im Kopf“ mit Dieter Hallervorden muss in der Reihe von Meisterwerken eigentlich nicht erwähnt werden.

„Supernova“ lässt nun nicht all die anderen Filme vergessen, doch so nah und vor allem liebevoll ließ kein anderer diese Tragödie miterleben. Liebevoll in der Darstellung des Paares, unheimlich intensiv im Erleiden der Krankheit. Dass die Frage des selbstgewählten Todes aufkommt, ist zwar keine Überraschung, aber auch das erlebt man hier intensiver. Während der sorgevolle Sam sich weigert, über die nächsten Schritte nachzudenken, findet Tusker noch klare Worte: „Du musst mich gehen lassen!“ In der englischen Bedeutung von „gehen lassen“, nämlich sterben.

Der erst 40-jährige Autor und Regisseur Harry Macqueen hat für den Film drei Jahren lang eng mit Großbritanniens führenden Demenz-Spezialisten zusammengearbeitet und sich mit vielen Menschen, die von dieser Diagnose betroffen sind, getroffen. Hat Zeit mit Menschen verbracht, die inzwischen verstorben sind, sowohl an der Krankheit selbst als auch aufgrund von Selbstmord. Macqueen bezeichnet das als „einige der ergreifendsten und wichtigsten Erfahrungen meines Lebens“. Er will mit „Supernova“ auch „diesen Menschen und ihren Geschichten auf eine wahrhaftige und ursprüngliche Art gerecht zu werden“.

Dies gelingt auch Dank zweier begnadeter Darsteller: Colin Firth und Stanley Tucci sind von Action-Knallern bis zu Arthouse-Meilensteinen ungemein präsente Schauspieler. Trotzdem gehen sie voll in der Rolle des liebenden Paares auf und man nimmt ihnen die Rollen sowie jede ihrer Emotionen ab. Neben dem wunderbaren Licht der genialen Kamera Dick Popes muss noch immer erwähnt werden, dass die schwule Beziehung hier mit einer traumhaften Selbstverständlichkeit gelebt werden kann. Ein „unvergesslicher“ Film wäre im Zusammenhang dieses feinen Films ein blöder Kommentar. Eine Liebe, die bleibt, der passende.


Ein FILMtabs.de Artikel