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Die Goldfische

BRD 2019 Regie: Alireza Golafshan, mit Tom Schilling, Jella Haase, Birgit Minichmayr, Kida Khodr Ramadan, Jan Henrik Stahlberg 112 Min. FSK ab 12

Eine WG mit Tom Schilling („Oh Boy“), Birgit Minichmayr („Nur Gott kann mich richten“), Axel Stein („Nicht mein Tag“) und Kida Khodr Ramadan („4 Blocks“) – klingt klasse! Nur leider – dramaturgisch: zum Glück – hat jeder von ihnen eine Behinderung: Minichmayrs immer besoffene Zynikerin Magda ist blind, Steins Autist „Rainman“ braucht eine besondere Behandlung. Der gierige Pfleger Eddy, den Ramadan spielt, hasst seinen Job und Schilling gibt sehr schön glatt den egoistischen Banker Oliver.

Oliver war einer dieser Killer am Lenkrad, für die Regeln nicht gelten, bis ihn die Raserei querschnittsgelähmt in den Rollstuhl brachte. Nur wenige Wochen später hat er überhaupt keine Probleme mit seiner Behinderung, beherrscht seinen Rollstuhl mit links. Aber das Internet im Reha-Heim ist erbärmlich schlecht. Denn der Portfolio-Manager will seine Zockerei mit dem Geld anderer Leute weiter treiben. Aber erst muss er viel Schwarzgeld aus der Schweiz nach Deutschland schmuggeln. Das Finanzamt hat schon Witterung aufgenommen. So gibt Oliver der von ihm verachteten, sehr gemischten Reha-Gruppe „Goldfische“ einmal Kamel-Therapie hinter der naheliegenden Grenze aus, um in Zürich seine Bankfächer zu leeren.

Regisseur Alireza Golafshan hat bislang einige Kurzfilme und Regie-Assistenzen gemacht und darf bei seinem Debüt direkt ein ungewöhnlich zusammengewürfeltes Ensemble bespielen. Der Theaterstar Minichmayr und die Kino-Ulknudel Axel Stein? Der Poster-Boy des Arthouse-Kinos Schilling („Brecht“) und der Klischee-Gangster harter Gang-Serien Ramadan? Doch mit einer flüssigen bis glatten Inszenierung sieht das bis zum Ausflug in die Schweiz gut aus. Dann werden Tempo und Chaos gesteigert, es fängt an Spaß zu machen.

Der Film wird jetzt doch nicht gleich die Blinde ans Steuer des kleinen Reisebusses setzen … später doch! Liefen um den egozentrischen Banker beim Videochat in Jackett und Stützstrümpfen eine ganze Reihe Scherze im Stil von Fisch namens Wanda, kommt nun der „Drive“ des Road-Movies hinzu. Oliver bleibt ungebrochen weiter ein Arschloch, doch irgendwann auf der Reise mit der netten Gemeinschaft und der überforderten, gutaussehenden Betreuerin Laura (Jella Haase) setzt eine Wandlung zum Menschen ein. Das ist stellenweise etwas frech, oft haarsträubend unlogisch, hat einige klasse Sprüche und zwei, drei geniale Film-Momente. „Die Goldfische“ ist eher nett als ein Komödien-Knaller wie „25 km/h“. Alireza Golafshan verdiente sich eine zweite Chance – vielleicht mit besserem Drehbuch nicht von ihm selbst.


Ein FILMtabs.de Artikel