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Cloud Atlas

D/USA/HK/SING 2012 Regie: Tom Tykwer, Lana & Andy Wachowski mit Tom Hanks, Jim Broadbent, Halle Berry, Ben Whishaw 172 Min. FSK ab 12
Ein Kaleidoskop von Geschichten offenbart David Mitchells Roman „Der Wolkenatlas“ hinter dem Einband. Ein Roman, wie geschaffen für eine Verfilmung und gleichzeitig an Aufwand kaum zu überbieten. Sechs verschiedene Zeiten und Orte – ein halbes Dutzend Welten müssen glaubwürdig auf der Leinwand zum Leben erweckt werden. Da brauchte es gleich drei Regisseure. Als die Geschwister Wachowski bei den Dreharbeiten zu „V – wie Vendetta“ im Studio Babelsberg auf den Roman stießen, den ihre Hauptdarstellerin Natalie Portman zu diesem Zeitpunkt las, waren sie auf Anhieb fasziniert von der Idee, ihn in einen Film zu verwandeln. Sie tauschten sich mir Tom Tykwer aus, mit dem sie schön seit längerer Zeit gerne einen Film verwirklichen wollten. Einige Jahre und Projekte zogen ins Land und 2009 begannen sie schließlich mit der Arbeit am „Wolkenatlas“. Für Tom Tykwer, der mit dem Liebesdrama „Heaven“ und der Bestsellerverfilmung „Das Parfüm“ einen ersten Fuß ins englischsprachige Kino setzte und mit dem Thriller „The International“ auch die Kritiker überzeugen konnte, ist es die bislang größte Produktion. Ziel der drei war es, möglichst kosteneffizient zu arbeiten und trotzdem großes Kino abzuliefern. Dabei sollte aber bei allem Aufwand die Geschichte nicht aus den Augen verloren werden. Mitchell verstand es meisterhaft, die unterschiedlichen Epochen und Schauplätze miteinander zu verquicken. Sein Credo, dass sich das Schicksal der Menschen berührt, wir alle miteinander verbunden sind, setzten die Filmemacher auf kongeniale Weise um: sie ließen ihre Hauptdarsteller multiple Rollen übernehmen. Für den Zuschauer bilden sie einen Anker in der Vielzahl an Eindrücken, obwohl die Figuren unterschiedlicher nicht sein könnten. Sie verlangten von den Künstlern die ganze Bandbreite ihres schauspielerischen Könnens ab und augenscheinlich hatten diese eine verdammt gute Zeit dabei. Tom Hanks schlüpfte z.B. in die Rolle des Maori-Kriegers, der in einer postapokalyptischen Welt ums Überleben kämpft und in die eines Kapitäns Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. Halle Berry steht dem einsamen Maori zur Seite, als Vertreterin einer weit fortschrittlicheren Rasse und kämpft in den 1970ern als Journalistin gegen einen Atom-Konzern. Jim Broadbent kämpft in Gestalt des Verlegers Cavendish ebenso in unserer Gegenwart um seine Freiheit, als ihn sein Bruder in ein Altersheim abschieben will. In der nächsten Szene sehen wir ihn als exzentrischen Komponisten, der das von Ben Wishaw verkörperte Genie unter seine Fittiche nimmt. All diese Fiktionen sind miteinander verbunden auf der Perlenkette des Schicksals. Das Ensemble gibt alles und ihre Regisseure schufen beeindruckende Bilderwelten um sie herum. Die sind in Neo-Seoul deutlich von der Liebe der Wachowskis zum Cyberpunkt geprägt, der auch schon die Welt der „Matrix“ so verführerisch gestaltete. Im nächsten Moment profitiert der Film von Tykwers Erfahrungen bei der Verfilmung von Süßkinds „Parfum“, wenn die Kamera durchs viktorianische England fährt. Was das Regiegespann hier in über 160 Minuten Lauflänge zeigt, reicht für eine ganze Filmografie. Der stete Wechsel der Handlungsorte erfordert ein gewisses Maß an Toleranz vom Zuschauer. Wer sich jedoch vollends und bedingungslos auf den Wolkenatlas einlässt, erlebt eine Achterbahnfahrt, wie es sie im Kino bislang noch nicht gegeben hat.


Ein FILMtabs.de Artikel