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The Guilty (2018)

Dänemark 2018 (Den Skyldige) Regie: Gustav Möller, mit Jakob Cedergren, Jessica Dinnage 88 Min. FSK ab 12

Ein Kammerspiel kann mit der Konzentration unterschiedlicher Figuren und extremer Situationen viel Druck in nur einem Raum aufbauen. Aber auch das Gegenteil, die einsame Machtlosigkeit in der Kammer einer Polizei-Notrufzentrale, kann für Hochspannung sorgen. „The Guilty“ ist Thriller, Psychodrama und Psychogramm in bemerkenswerter Qualität als Gegenstück zu Hollywood-Routinen. Großartiges Kopfkino und Hochspannung mit ungewöhnlichen Mitteln.

Der Polizist Asger Holm (Jakob Cedergren) macht Telefondienst in der Notrufzentrale. Nicht freiwillig, wie er betont, und auch nicht dafür ausgebildet, wie man schnell merkt. Oft ungehalten, aufbrausend und genervt, lässt er einen Freier, den eine Prostituierte ausgeraubt hat, am Telefon warten. Eine Frau, die mit dem Fahrrad gestürzt ist, raunzt er an, sie solle sich ein Taxi zum Krankenhaus bestellen. Da ist „The Guilty“ aber schon unheimlich spannend, denn zuvor hörten wir den Notruf einer zitternd ängstlichen Stimme. Eine Frau wählte die Nummer der Polizei, tut aber so, als redet sie mit ihrem Kind, weil sie im Auto ihres Entführers sitzt. Asger erfasst die Situation sofort, fragt nach Standort und Farbe des Wagens. Iben (Jessica Dinnage) kann die Fragen des Polizisten nur mit Ja und Nein beantworten, dann bricht die Verbindung ab.

Ein Anruf noch zu den Kollegen von der Streife im Vorort von Kopenhagen und dann muss Asger Holm warten. Dabei ist er viel zu unruhig für diesen Job. Später wird er auf atemberaubende Weise telefonisch Action-Einlagen einleiten, deren Ausgang erst mal undeutlich bleibt. Auch wir sind mit ihm zum Warten und zur Untätigkeit verdammt. Nicht ganz – in der konzentrierten Situation beobachten wir gespannt und genau. „The Guilty“ ist nicht nur geniales Kopfkino, weil die weiteren dramatischen Ereignisse nur als „Hörspiel“ bei Asger ankommen. Es ist auch der Kopf vom bislang unbekannten Jakob Cedergren, der einen großen Teil des Films trägt. Die Verachtung gegenüber einem Junkie mit Panikattacke lässt sich dort ebenso ablesen wie der Schweiß im Kampf um gleich mehrere Leben. Denn bei seiner telefonischen Recherche von Ibens Familienverhältnissen verspricht er einer Sechsjährigen, dass ihre Mutter wieder nach Hause kommen wird….

Asger ist kein Held. Eher ein gestresster Unsympath, der einen Läuterungsprozess durchlebt. Im Gegensatz zu Halle Berrys Part in „The Call – Leg nicht auf“ aus 2013 auch kein Spezialist für solche Situationen. Es fasziniert, wie genau auch die emotionale Situation dieses Mannes, der selbst an einer Schuld trägt, gezeichnet ist. „The Guilty“ ist mit mehreren heftigen Ãœberraschungen ganz hervorragend konstruiert, selbst wenn Versatzstücke aus dem Genre mit den typischen kaputten Polizisten auftauchen. Auch wenn hier nicht Lars von Trier draufsteht, wirkt auch dieser dänische Film wieder hammerhart. Das packende und erschütternde Drama ist im richtigen Leben verwurzelt und deswegen noch spannender als die mit viel Marketing-Aufwand beworbenen Hollywood-Kopien.


Ein FILMtabs.de Artikel