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Der Vorname (2018)

BRD 2018 Regie: Sönke Wortmann, mit Christoph Maria Herbst, Florian David Fitz, Caroline Peters, Justus von Dohnányi, Janina Uhse 91 Min. FSK ab 6

Sönke Wortmann hat einen guten Namen bei Publikum und den Produzenten. Die Zuschauer mögen ihn wegen seiner frühen Komödien wie „Kleine Haie“ und „Der bewegte Mann“ (1994), danach kamen Renommierprojekte wie „Das Wunder von Bern“ (2003). Die Industrie schätzt seine zuverlässige Arbeitsweise. Dass Effektivität ohne Inspiration auch den besten Ruf versauen kann, beweist dieses verunglückte Remake eines französischen Gesellschaftsabends. Wortmann findet für die wortreichen Dialoge keine Filmsprache. Nur die Grundidee des Originals und einige Darsteller, namentlich Christoph Maria Herbst und Caroline Peters, machen den Abend unter Freunden erträglich.

Dass die Adilette mit dem Dritten Reich zu tun hat und jenseits aller Stilfragen hochpolitisch ist, das wussten bislang die wenigsten. So was kommt raus, wenn man den tatsächlich heiklen Vornamen Adolf im Freundeskreis aufregt durchdekliniert. Der Grund ist die Ankündigung vom werdenden Vater Thomas (Florian David Fitz), sein Kind Adolf nennen zu wollen. Schon beim Aperitif kocht so der Abend bei Schwester Elisabeth (Caroline Peters) und Schwager Stephan (Christoph Maria Herbst) hoch: Letzterer, Germanistik-Dozent und prinzipien-steifer Bildungsbürger, verweist auf diesen Hitler und dass gerade in rechtslastigen Zeiten dieser Name tabu, wenn nicht gar verboten sei.

Es geht Stefan (immer) wortreich ums Prinzip. Und dann unter der Oberfläche und in der zweiten Hälfte des Films um nicht besonders tief verborgene Ressentiments. So lässt der Literaturprofessor im Cordanzug dauernd seine Bildung raushängen und führt den jüngeren Thomas grob vor, der ja noch nicht mal Abitur habe. Dafür hat der erfolgreiche und recht ignorante Makler eine teure Drecksschleuder auf vier Rändern und auch sonst überflüssig viel Geld. Was Stephan neidisch macht. Zwischen den Fronten sitzt lächelnd Kindheitsfreund René (Justus von Dohnányi), ein herzensguter Kulturmensch, der keiner Fliege was zuleide tun kann. Hausherrin Elisabeth rennt von beschwichtigend zwischen Esszimmer und Küche herum. Thomas’ schwangere Freundin Anna (Janina Uhse) darf später ein paar Stichworte geben.

Es ist nur zeitweise ein aufbrausend spritziger und geistreicher Abend, den uns Sönke Wortmann nach der deutschen Fassung des gleichnamigen Bühnenstücks präsentiert. Da hilft der gute Name vom französischen Theater- und Kino-Erfolg „Der Vorname“ ebenso wenig wie dessen Fortsetzung auf deutschen Bühnen. Während einige Dialoge und Themen noch schlagfertig interessieren können, ist erschreckend, wie verloren die Regie agiert: Die Kamera wischt am Esstisch sinnlos an Hinterköpfen vorbei, gelangweilt fragt man sich, wie viele Bissen die Schauspieler wohl tatsächlich in den Mund nehmen mussten. Der Raum bleibt trotz auffälliger Handkamera ein Filmset, auch die Figuren kommen nie zu einem Miteinander. Selbst wenn bei dem vielen Gerede – es war schließlich ein französischer Film – einzelne Momente überzeugen, es sind Christoph Maria Herbst, Florian David Fitz, Caroline Peters und Justus von Dohnányi, die hier punkten, nicht ihre Filmpersonagen. Symptomatisch ist der Schlusspunkt, eine Generalabrechnung von Ehe und Rollenverteilung durch die verhinderte Literaturwissenschaftlerin und Hausfrau Elisabeth. Eine großartige Solonummer der Theaterschauspielerin des Jahres Peters, ein Solitär sowohl in Handlung als auch im Personengefüge.

Dieses Misslingen von „Der Vorname“ ist vor allem schade, weil einige interessante Themen aufblitzen: Befördern die Intellektuellen mit der Tabuisierung des Namens Adolf und ihrer Erinnerungs-Kultur eigentlich einen Hitler-Kult? Macht Bildung bessere Menschen? Und – ganz banal – wieso übernehmen die Frauen den Großteil der Elternzeit? Könnte man drüber nachdenken. Doch nicht nach diesem Film, da muss man erst mal ausführlich ablästern.


Ein FILMtabs.de Artikel