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Sorry we missed you

Großbritannien, Frankreich, Belgien 2019 Regie: Ken Loach, mit Kris Hitchen, Debbie Honeywood, Rhys Stone, Katie Proctor, Ross Brewster, Charlie Richmond 100 Min. FSK ab 12

Weil er zu stolz für Arbeitslosengeld ist, nimmt Ricky in Newcastle einen Job als Paketbote an. Was „Job“ bedeutet, ist allerdings Thema und Kern des Dramas um extrem prekäre Arbeitsverhältnisse und brutale Ausbeutung unter dem Deckmantel neoliberaler Ökonomien. Der neue Film des alten Sozialisten Ken Loach packt, klärt auf und erschüttert.

Bei der Einstellung gibt es viele tolle neue Namen für die alte Arbeit. Das Prinzip ist einfach: Alle Risiken und Investitionen übernimmt nun der Arbeiter, der als Franchise-Nehmer angeblich ein (schein-) selbständiger Unternehmer ist. „Selbst“ ist jedoch nur die Selbst-Ausbeutung. Weil Ricky seinen eigenen Transporter mit zur Arbeit beim Paketdienst bringen muss, verkauft seine Frau widerwillig ihr kleines Auto. Nun fährt Abby mit dem Bus zu den Klienten ihres anstrengenden Jobs als Pflegerin. Doch trotz Stress, unverschämten Kunden und Strafzetteln für Falschparken scheint es zu laufen. Ricky und Abby haben tolle Kinder, die Tochter kümmert sich zuhause und auch um den großen, Teenager-arroganten Sprayer-Bruder.

„Sorry we missed you“ (Wir haben Sie leider verpasst), benannt nach dem Spruch auf den Paketboten-Zetteln an der Haustür, verläuft lange undramatisch. Immer spannend dabei jedoch die Angst, dass wieder was schief geht. Wie damals, als die Familie mit dem Kredit für das eigene Haus scheiterte. Die Schlinge zieht sich langsam zu. Und als es dann knallt, sind selbstverständlich die Krankenhäuser überfüllt – auch Teil politischer Deregulierung.

Der 83 jährige britische Regisseur und Cannes-Sieger Ken Loach liefert dieses brennende Thema schnell, quasi als Express-Bestellung ins Kino. Jan Böhmermann klagte diese moderne Ausbeutung, die regelmäßig an unserer Haustür klingelt, bereits in seiner Show an. Aber für einen Kino-Film ist „Sorry we missed you“ schnell und hoch aktuell. Die tatsächlich mörderischen Arbeitsverhältnisse bekommen mit dieser zugrunde gerichteten Familie ein menschliches Gesicht. Sympathische, ehrliche Leute geben alles, aber sie können es in diesem politisch ungeregelten Ausbeutungs-System nicht schaffen. Das gilt für die Paketboten, aber auch für Abbys Arbeit im Pflegesektor unter Zeitdruck und ohne wirkliche Freizeit.

Das Drama aus den Realitäten unseres täglichen Straßenkampfes um Termine und Parkplätze ist in der Beobachtung (Buch: Paul Laverty) messerscharf: Die Anfahrt wird Abby nicht bezahlt, die Zeiten für die Pflege sind viel zu knapp und unmenschlich. Derweil fällt die Familie auseinander, denn ein freier Tag kostet Ricky 100 Pfund! Diese Situation nimmt der Jugend die Vorbilder und die Perspektive. Und all dieser Wahnsinn findet statt für noch eine Ladung unnötigen Konsums!


Ein FILMtabs.de Artikel