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Utøya 22. Juli

Norwegen 2018 Regie: Erik Poppe mit Andrea Berntzen 98 Min. FSK ab 12

Man weiß was passiert ist: Der rechtsextreme Norweger Anders Breivik ließ am 22. Juli 2011 in Oslo eine Bombe explodieren, die acht Menschen tötete, und ermordete darauf in einem Zeltlager der sozialistischen Jugendorganisation auf der Insel Utøya 69 Menschen, 300 wurden schwer verletzt. In seinem umstrittenen Film „Utøya 22. Juli“ zeigt Regisseur Erik Poppe zuerst die Explosion in Oslo aus der Perspektive von Überwachungskameras. Dann Jugendliche auf der Insel, die vom Anschlag wissen, sich aber besonders sicher fühlen. Norwegen ist auch hier eine bunte Gesellschaft. Aufgeweckte, politisch bewusste junge Menschen diskutieren die Möglichkeit eines Terroranschlages und die von den Medien auch wieder mal vorgegebenen Schlagworte wie Al Quaida. Dann beginnt der Horrorfilm. Schüsse und Schreie im Off, einige Kinder kommen aus dem Wald gerannt. Per Handkamera (Martin Otterbeck), die der 19-jährigen Kaja (Andrea Berntzen) konstant folgt, bekommt man das Gefühl, mittendrin zu sein, ohne den Täter je wirklich zu sehen.

72 Minuten dauerte das Massaker Breiviks, über eine Stunde lang hetzt der Film Kaja über die Insel. Im Wald auf dem Boden liegend, sich vor den Schreien und Schüssen wegduckend. Die Menschen im Ferienlager wissen nicht, ob da einer oder viele schießen. Dann heulende Telefongespräche mit der Mutter, Kaja kann die kleine Schwester nicht mehr finden, die zuletzt alleine im Zelt war und wird bei der Suche zur Helferin und Heldin. Das ist anfangs nur atmosphärisch im Dauerfeuer drastisch, dann auch noch in der Darstellung der Verwundungen.

Die Verortung in der neuerlichen Zeitgeschichte nimmt „Utøya 22. Juli“ erst einmal den Verdacht des Spekulativen, aber gerade seine gute, spannende Machart macht ihn als Genrefilm austauschbar. Ausgerechnet der Dreck und Schlamm, in einem nördlichen Sommerlager eher natürlich vorkommend, erinnern noch einmal an aus purer Mordlust rumballernde Genrefilme. Gerade weil man es beim Attentäter Breivik mit einem intelligenten Wahnsinnigen zu tun hat, wirkt so ein Ansatz, pur den Schrecken erleben zu lassen, recht einfach. Brüche in der Perspektive oder Reflektionen wie in Gus Van Sants „Elephant“ fehlen. Ansonsten ist das Drama dramaturgisch mit ruhigen Momenten des Sterbens und einem Gespräch über Zukunftsträume gut aufgelöst (Buch: Siv Rajendram Eliassen, Anna Bache-Wiig). Die Tour de Force von Hauptdarstellerin Andrea Berntzen macht Eindruck, der Film schockt nachhaltig und warnt im letzten Satz vor dem zunehmenden Rechtsextremismus in Europa und der westlichen Welt.


Ein FILMtabs.de Artikel