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3 Tage in Quiberon
BRD, Österreich, Frankreich 2017 Regie: Emily Atef, mit Marie Bäumer, Birgit Minichmayr, Charly Hübner, Robert Gwisdek, 116 Min., FSK ab 0
„Ich bin eine unglückliche Frau von 42 Jahren und ich heiße Romy Schneider!“ So beginnt der mittlerweile eher französische als deutsche Filmstar, der seine „Sissy“-Vergangenheit noch immer nicht los ist, ein historisches Interview mit dem „Stern“. 1981, ein Jahr vor ihrem Tod, verbringt Romy Schneider (Marie Bäumer) drei Tage mit ihrer Freundin Hilde (Birgit Minichmayr) in dem bretonischen Kurort Quiberon. In der Anti-Wellness-Klinik direkt am Strand gibt es eine extrem karge Diät, zwischendurch werden die Kurgäste mit kaltem Wasser abgespritzt. Dementsprechend gieren sie auch einen eingeschmuggelten Croissant an. Trotz ganz schlechter Erfahrungen mit der deutschen Presse willigt die Schauspielerin ausgerechnet in ein Interview mit dem „Stern“-Reporter Michael Jürgs (Robert Gwisdek) ein. Mit dabei ist der Fotograf Robert Lebeck (Charly Hübner), ein alter Freund Romy Schneiders.
Diese „3 Tage in Quiberon“ zeigen zwei Gesichter der Romy Schneider: Das lebenslustige, und die Verletzte, Scheue, deren Sohn David nicht mehr bei ihr leben will. Aber erst einmal geht es mit der Freundin und den zwei Männern von der Presse abends heimlich in die Kneipe. Die Reste einer Hochzeitsgesellschaft fühlt sich geehrt und berührt von dem unverstellten Mensch Romy. Denis Lavant kommt als Poet vorbei, man singt und tanzt. Hilde kann Romy erst in Sicherheit bringen, als diese schon viel zu viel gesagt hat. Am nächsten Tag bestellt Jürgs Champagner zum Interview. Die Freundin, die drauf achten wollte, dass Romy dem Journalisten nicht zuviel erzählt und nicht auch noch Tabletten nimmt, gibt auf und zieht ab.
Betrunken, unsicher, schwach und völlig offen, so tritt der in Deutschland ungeliebte Star einem hinterhältigen, verlogenen Interviewer entgegen, der in seinem eiskalten Zynismus nebenbei auch noch Hilde herunter analysiert. Aus Romys kindlicher Begeisterung wurde die Angst vor der Einsamkeit, die Sorge um das Geld.
„Romy“ wurde übrigens schon einmal 2009 im gleichnamigen TV-Film von Torsten C. Fischer mit Jessica Schwarz in der Verkörperung des gebrochenen Stars gezeigt. Regisseurin Emily Atef („Das Fremde in mir“, „Töte mich“) drehte „3 Tage in Quiberon“ jedoch inspiriert von den Schwarz-Weiß-Fotos Robert Lebecks ebenfalls in Schwarz-Weiß. Und interessiert sich nicht für eine komplette Biografie. Keine Erwähnung der Eltern Magda Schneider und Wolf Albach-Retty, selbst Leinwand-Stars. Nur brüske Ablehnung der „Sissi“-Filme, mit denen sie berühmt wurde. Kein Wort über die Beziehung zu Alain Delon. Trotzdem wäre dies eine interessante Momentaufnahme im schwindenden Leben von Romy Schneider (1938 -1982). Doch die Darstellung der Romy durch Marie Bäumer („Der Geschmack von Apfelkernen“, „Zum Geburtstag“), eine der am meisten unterschätzten deutschsprachigen Schauspielerinnen, macht diese stillen Tage zu einem fesselnden Film. Bäumers Romy rührt mit müden Augen und tiefen Rändern darunter, aber vor allem in ihrer großen Verzweiflung. Auch die enorme Offenheit gegenüber einem Promi-Hai ist einnehmend gespielt. Dabei legt Robert Gwisdek („Das Wochenende“, „Schoßgebete“) seinen Michael Jürgs nicht nur berechnend und negativ an. Charly Hübner („Vor der Morgenröte“, „Magical Mystery“,„Steig. Nicht. Aus!“) ist als Robert Lebeck sowieso ein Gewinner. Wie der Film wahrscheinlich auch, denn er gilt schon jetzt als Favorit für den Deutschen Filmpreis.
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- Publiziert von:
- Günter H. Jekubzik, 19.02.2018 / 8:59
- Rubrik:
- Berlinale 2018, Festivals
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