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Paranoid Park

F/USA 2007 Regie: Gus van Sant Mit Gabe Nevins, Daniel Liu, Taylor Momsen, Jake Miller 85 Min.
Gus van Sant ist wieder mittendrin in der Jugendkultur. Im Gegensatz zu anderen, die auf die Teenagerwelt schauen und vergeblich versuchen, sie zu verstehen, geben einem seine Filme immer das Gefühl, teilzuhaben an den Gedanken, Zweifeln, Ängsten eines Heranwachsenden. Wesentlicher Bestandteil war bei seiner Analyse immer das Umfeld, die Freizeit seiner Protagonisten. Es wirkt dabei fast so, als filme er sie unbemerkt in ihrem Alltag. So als wäre es vielmehr eine Dokumentation, die wir betrachten, als Fiktion. In „My Own Private Idaho“ zeigt er frei von Vorurteilen Stricher bei der Arbeit. In „Elephant“ spielen Kids Computerspiele, quatschen, essen, trinken, brechen, lachen, weinen, küssen lange bevor ein paar von ihnen die Insassen einer ganzen Schule hinrichten. „Last Days“ treibt das Konzept, Nebensächliches in den Vordergrund zu stellen auf die Spitze, indem van Sant die Tage vor Kurt Cobains Tod zu rekonstruieren versucht – und in denen passiert einfach nichts nennenswert Aufregendes. Trotzdem gelingt ihm eine inszenatorisch Dichte, die bis zum Schluss fasziniert – eben nicht wegen eines plakativen Voyeurismus und dem Vergnügen am Schicksal anderer.
Auch in „Paranoid Park“ ist die Beschreibung des Umfelds wesentlich wichtiger, als die eigentliche Handlung. Die passiert eher nebenbei. Unchronologisch zeigt er ein paar Tage im Leben eines Skaters. Erzählt werden sie vom Protagonisten selbst. Alex schreibt alles in einem Buch nieder, was die ständig auftauchenden assoziativen Sprünge in der Handlung erklärt. Wenn Alex etwas wichtig ist, erklärt er es halt erstmal ausführlich. Das Wichtigste für ihn ist Skaten, am liebsten mit seinem Kumpel Jared. Die beiden sind noch absolute Rookies, trauen sich aber zu, im legendären Skaterpark am Rande der Stadt aufzuschlagen – dem Paranoid Park. Sie verabreden sich, legen sich Ausreden ihren Eltern gegenüber zurecht, doch bei Jared kommt kurzfristig etwas dazwischen. Also zieht Alex alleine los, beobachtet die anderen zunächst nur vom Rand aus, bis er mit ein paar älteren Kids ins Gespräch kommt.
Am nächsten Tag ist die Polizei auf dem Schulgelände. In der Nähe des Skaterparks ist die Leiche eines Wachmanns gefunden worden. Jeder der Jungs wird befragt. Es wird klar, dass Alex etwas mit der Sache zu tun hat. Was genau bleibt auch für den Zuschauer lange im Dunkeln. Alex driftet dahin, lässt emotionslos den ersten Sex mit seiner Freundin über sich ergehen. Der Schulalltag nervt ebenso, wie die Eltern. Der Auslöser seiner Apathie zeigt sich nur allmählich. Es ist seine Geschichte, und den Grund, warum er sie niederschreibt zögert er lange hinaus.
„Paranoid Park“ basiert auf dem gleichnamigen Roman von Blake Nelson und doch lässt van Sant sich von der Vorlage nicht wesentlich leiten. Eine realistische Bestandsaufnahme von Jugendkultur ist ihm wichtiger, als ein Plot. Das ist mitunter anstrengend, aber verliert nichts von seiner Faszination. Verantwortlich dafür sind wie schon bei seinen letzten Arbeiten exzellente, authentisch agierende Jungdarsteller, aber auch die berauschenden Bilder von Kameragott Christopher Doyle. Der hat mal wieder Asien verlassen und sich einer westlichen Arbeit gewidmet. Seine Bilder unterstreichen das Gefühl, für 90 Minuten Teil einer eigenen Welt zu sein, in der Erwachsene nur Statisten sind. Der Cop, der Alex verhört, wirkt bedrohlich, sein Vater wird verschwommen als Figur im Hintergrund gezeigt – sie sind Störfaktoren, denen man besser aus dem Weg geht.
Am Ende bleibt die Frage, wie die Jugend tickt unbeantwortet. Aber man konnte sich zumindest einen Eindruck davon verschaffen, wie sie lebt, fühlt, atmet und denkt. Das ‚Warum’ zu ergründen bleibt jedem selbst überlassen. 

Ein FILMtabs.de Artikel