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Die Erleuchtung The Fountain

„Turn off your mind , relax and float downstream, it is not dying, lay down all thought, surrender to the void, it is shining.“ (The Beatles „Tomorrow Never Knows“)

„If you’re frightened of dying and you’re holding on, you see devils tearing your life away. But if you’ve made your peace then the devils are really angels, freeing you from the earth. It’s just a matter of how you look at it, that’s all.“ (Jacob`s Ladder)

„Death is a disease, it’s like any other. And there’s a cure. A cure – and I will find it.“ (Dr. Tom Creo, The Fountain)

Dies ist die Geschichte einer Reise. Einer fiktiven, einer realen und einer grundsätzlichen Reise der menschlichen Natur. Sie handelt von der mühsamen Expedition eines New Yorker Regisseurs hin zur Verwirklichung seines Traums. Darren Aronofsky hatte die Idee zu „The Fountain“ bereits vor sechs Jahren. Von Anfang an war da dieses Gefühl, die Geschichte erzählen zu müssen, als wäre sie Teil seines Blutkreislaufs. Erste niedergekritzelte Ideen auf einer Restaurantserviette wuchsen zu einem Konzept, einer Handlung, einem ersten Drehbuch. In Hollywood war damals jeder begeistert von der Kreativität des Dreißigjährigen. Doch bereits seine Idee mit der Verfilmung von „Batman: Year One“ der Fledermaus neues, wesentlich düsteres Leben einzuhauchen und dazu den Schöpfer Frank Miller mit ein zu beziehen, war dem Big Player Warner zu heikel. Wie wir heute wissen hatte Robert Rodriguez einige Jahre später eine ähnliche Idee und verwirklichte sie mit „Sin City“ auf eigene Faust und der Erfolg gab ihm Recht. Aber Anfang 2000 war niemand zu diesem Risiko bereit und so schusterte schließlich Christopher Nolan eine wesentlich sicherere (wenngleich nicht schlechte) Neuauflage.

Auch „The Fountain“ ward ein vorschnelles Ende beschienen. Das großspurig geplante Projekt mit Megabudget und Brad Pitt und Cate Blanchett scheiterte an kreativen Differenzen zwischen dem Regisseur und seinem Hauptdarsteller. Doch die Idee gehörte Darren und er ließ sie sich nicht nehmen. Stattdessen bewies er Geduld und manifestierte seine Vision gemeinsam mit dem Maler Kent Williams in einem grafischen Roman (der eingedeutschte Terminus ‚Comic’ wirkt hier eher unpassend). Die Jahre zogen ins Land, aber was sind sie schon im Vergleich zur Ewigkeit? Und um die ging es schließlich in seiner Vision.

Schließlich gab Warner grünes Licht, allerdings für ein deutlich geringeres Produktionsvolumen. Die Hauptrolle wurde mit Hugh Jackman („Prestige“) besetzt, ein hervorragender Mime, der Aronofsky zudem erstaunlich ähnlich sieht. Umso erstaunlicher aufgrund der Wahl des weiblichen Gegenparts: Rachel Weisz („The Constant Gardener“), Aronofskys Frau und Mutter seines Sohnes, übernahm die Rolle. Nach vielen Jahren, Rückschlägen und Enttäuschungen sollte „The Fountain“ also endlich das Licht dieser Welt erblicken – und die ersten Worte des Films scheinen in die Realität hinein zu reichen.

„Let’s finish it“

Das Licht einer Kerze fällt in die Dunkelheit. Ihr Flackern erweckt die Leinwand zum Leben. Eine Feder kratzt Worte der Schöpfungsgeschichte auf Papier. Ein Konquistador kniet vor einem Amulett. Er hält ein ledernes Bündel in der Hand, darin ein Ring. Er inhaliert den Duft der Tierhaut und erinnert sich an das Gesicht seiner Angebeteten. Sorgsam faltet er das Bündel wieder zusammen, hält inne und sagt mit fester Stimme: „Let’s finish it.“ Dann zieht er in die Schlacht, um seine Bestimmung zu erfüllen.

Aus dem Lärm der Meute werden wir hinaus geschleudert in die Weiten des Alls. Ein Jahrtausend später sitzt scheinbar der gleiche Mann in einer gigantischen Glasglocke und meditiert. Neben ihm ein jahrtausendalter Baum. Der Gigant liegt im Sterben, windet sich gen Himmel, wo der Nebel Xibalba wartet, die Unterwelt der Maya. Der Mann redet mit ihm, versichert ihm, dass sie bald am Ziel sind und kostet ein Stück seiner Rinde.

Einige hundert Jahre zuvor arbeitet ein Wissenschaftler bis zum Rand der Erschöpfung, im Wahn ein Mittel gegen Krebs zu finden. Es muss einfach klappen, es gibt keine Alternative, keine Teilerfolge, keine Schritte zum Ziel – nur das Ziel selbst ist wichtig. Die Zeit rennt ihm davon. Seine Frau liegt im Sterben. Doch sie hat sich bereits damit abgefunden und ihren Frieden mit dem Tod geschlossen. Sie hat keine Angst, doch muss sie ihm nehmen. Damit auch er begreift, dass der Tod das Tor zur Ewigkeit darstellt.

„Death is the road to awe“

Die drei Geschichten, die verschiedenen Zeitebenen, deren Handlungen parallel zueinander verlaufen, verlangen viel vom Rezipienten. Die Bilder sind voller Symbole, die Worte voll von Bedeutung. Alles greift ineinander und ist teil einer hoch philosophischen Essenz, die sich erst in den letzten Minuten des Films vollends erschließt. Dabei sind es vor allem wieder die intimen Momente zwischen den Liebenden, die Aronofskys Geschichte Stärke verleihen. Wie in „ Requiem For A Dream“ geht die Kamera hier ganz nah ran. Wir sehen die Haare auf ihrem Nacken, den er liebevoll küsst, spüren die Zweisamkeit. Es macht alles verständlich, ihre Schmerzen, ihre Angst, ihre Leidenschaft. Doch schlussendlich ist der Tod untrennbarer Teil des Lebens und hat man sich erstmal damit abgefunden, sich in die Arme des Unausweichlichen begeben, trägt uns die Leichtigkeit auf ihren Schwingen.

Aronofskys Meditation über das Leben, den Tod und die Unendlichkeit ist Ergebnis jahrelanger Recherche und eine Essenz verschiedenster Glaubensrichtungen, Philosophien und Theorien. Er hat ihnen die menschliche Komponente hinzugefügt, sie mit den Gefühlen von uns Sterblichen in Einklang gebracht. Er will uns die Angst nehmen, die uns täglich antreibt und ihre Energie lieber aus Vertrauen gewinnen. Vertrauen darin, zu wissen, dass in jedem Anfang ein Ende innewohnt. Dieses Vertrauen zu nutzen, um das Beste aus dieser Inkarnation zu machen. Dazu bedient er sich der Lehren und Symbole unseres Glaubens, ohne dabei irgendetwas als allgemeingültig hinzustellen.

„Together we will live forever“

Ein wesentlicher Bestandteil der Wirkung, die Aronofskys Filme auf uns haben, ist die Musik. Mit Clint Mansell, ehemals Teil der Band Pop Will Eat Itself, hat er einen Bruder im Geiste gefunden, der es vermag seinen Visionen auch auf der musikalischen Seite gerecht zu werden. Bild und Musik ergänzen sich, harmonieren miteinander, von britischer Elektro-Avantgarde in „Pi“ bis hin zu minimalistischen Streicherarrangements in „Requiem For A Dream“. Bereits bei seinem letzten Werk holte sich Mansell dazu die Unterstützung des Kronos Quartetts, deren grenzüberschreitende Klangskulpturen das Horrorkabinett aus Sucht und Untergang möblierten. Diesmal zogen Mansell und Aronofsky, bekennender Fan der Kanadier Godspeed! You Black Emperor, die perfekt erwählten Mogwai hinzu. Mit ihnen teilt das Kronos Quartett die Liebe zu den Soundschleifen von Philip Glass. Mogwai verleihen den Arrangements der Streicher eine treibende Dimension und stellenweise natürlich Klavier, Gitarre und Drums. Das Ergebnis treibt auch ohne den Film Feuchtigkeit in die Augen und macht den Schmerz auch auditiv fühlbar.

Die gesamte kreative Vision, die The Fountain darstellt – Film, Musik und Zeichnung – ist den Hirnen von Darren Aronofsky und seiner Verbündeten entsprungen. Sie ist in ihrer Wahrheit und Weisheit erhaben und wer sich ihr öffnet, wird verstehen.

Der Soundtrack von Clint Mansell, dem Kronos Quartett und Mogwai ist bei Warner erschienen.
Die Graphic Novel zum Film von Kent Williams und Darren Aronofsky erscheint am 25.1. bei Vertigo / Panini.
Dieser Text erscheint Ende Januar im Magazin für Popkultur Persona non Grata

Ein FILMtabs.de Artikel