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Junge Filmkunst erntet Preise

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Ein bewegender Spielfilmerstling um die emotionalen und tragischen Nachbeben des Jugoslawien-Krieges erhielt Samstagabend in einer großen Gala den Goldenen Bären der 56. Internationalen Filmfestspiele Berlins. “Grbavica” von Jasmila Zbanic steht für viele junge und unkonventionelle Filme, die von der Internationalen Jury ausgezeichnet wurden.
Die Koproduktion von Österreich, Bosnien/Herzegowina und Deutschland spielt in Sarajevo. Die 12-jährige Sara lebt allein mit ihrer Mutter Esma. Als das Geld nicht für den Schulausflug reicht, mehren sich Saras Fragen nach dem angeblich im Krieg verstorbenen Vater. Denn Kinder von Kriegshelden brauchen nicht zahlen. Doch in einer dramatischen Entwicklung muss Esma gestehen, dass sie in einem Kriegslager vergewaltigt wurde und gezwungen, zu gebären. Sara ist das Kind eines Chetnik!
Jasmila Zbanic wurde 1974 in Sarajevo geboren. Dort gründete sie eine Künstlervereinigung und Filmproduktion, mit der sie zehn Kurz- und Dokumentarfilme sowie Kunstvideos realisierte. “Grbavica” ist ihr erster Spielfilm.
Den Silbernen Bär für die Beste Regie 2006 erhielten Michael Winterbottom und Mat Whitecross für den politisch relevantesten Film “The Road To Guantanamo”, der die völlig rechtlose Gefangennahme und Inhaftierung von vier Engländern durch die US-Armee dokumentiert.
Die vier deutschen Starter im Wettbewerb wurden mit Darstellerpreisen bedacht, wobei ausgerechnet der beste Film, “Sehnsucht” leer ausging. Hans-Christian Schmid entdeckte in “Requiem”, der nüchternen Analyse eines religiösen Mordes durch katholische Exorzisten, wieder eine bemerkenswerte Schauspielerin. Sandra Hüller, die traumhaft unsicher die keineswegs vom Teufel besessene Epileptikerin spielt, erhielt den Silbernen Bär als Beste Darstellerin 2006. Für die beste männliche Hauptrolle wurde Moritz Bleibtreu als frustrierter Verlierer in Oskar Roehlers “Elementarteilchen” ausgezeichnet.
Ein weiterer Silberner Bär ging an Jürgen Vogel für seine künstlerische Gesamtleistung als Schauspieler, Ko-Autor und Ko-Produzent des Films “Der freie Wille” von Matthias Glasner, in dem Vogel als Vergewaltiger gegen seine Triebe kämpft. Dabei bewegt er sich abseits vom klassischen Schauspiel im Bereich des zurzeit so beliebten Improvisierens. Relativ moderne Tendenzen wurden bei fast allen Preisen gewürdigt, so ging der Alfred-Bauer-Preis für einen Film, der „neue Perspektiven der Filmkunst eröffnet” an den Geheimfavoriten “El custodio” (Der Schatten) von Rodrigo Morenom, der nüchtern konzentriert einen argentinischen Bodyguard porträtiert.
Die Berlinale 2006 mit 1.115 Vorführungen von 360 Filmen erlebten mehr als 19.000 Akkreditierte aus 120 Ländern und über 150.000 Zuschauer. Wichtiger als die Zahlen mag die überaus positive Außenwirkung sein, dass man ein hochwertiges Festival auch ohne lauten Starauftrieb inszenieren kann.


Ein FILMtabs.de Artikel