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Can You Ever Forgive Me?

USA 2018 Regie: Marielle Heller mit Melissa McCarthy, Richard E. Grant, 107 Min. FSK ab 0

Nach dem großartigen „The Diary of a Teenage Girl“ begeistert Regisseurin Marielle Heller nun mit dem Porträt einer 50-jährigen Fälscherin. Melissa McCarthy brilliert befreit vom Ulknudel-Image in einer wunderbaren Charakterrolle.

Ihre alten Biografien über Katherine Hepburn oder Estée Lauder stehen selbst beim Antiquar auf dem Ramschtisch, ihre Ideen für neue interessieren keinen, weil die Persönlichkeiten niemand mehr kennt. Lee Israel (Melissa McCarthy) ist 1991 in New York ganz unten angekommen und bekommt von ihrer Agentin gesagt: „Du kannst ein Arschloch sein, wenn du berühmt bist“. Auch bei der Party mit lauter Autoren kann niemand mehr etwas mit der Biografin anfangen. Aber wenigstens zwei halbe Rollen Toilettenpapier und einen warmen Wintermantel kann Lee Israel dort abstauben.

Die 50 jährige Frau, die Katzen mehr mag als Menschen, kann die Miete für ihr stinkendes Drecksloch nicht mehr zahlen, als sie zufällig den Wert signierter Briefe berühmter Autoren entdeckt. Nun lebt sie ihr literarisches Talent in kurzen Nachrichten von Dorothy Parker oder Noel Coward aus. Zum wunderbaren Brummen der elektrischen Schreibmaschine, dem Soundtrack ihrer Schreibblockade, gesellen sich andere Typographen für die jeweiligen Schreib-Epochen. Der Autorin ohne Freunde ist dabei ihr schwuler Zufallsbekannter Jack (Richard E. Grant) behilflich, der mit der gleichen besoffenen Arroganz auf der Straße gelandet ist.

Es ist unglaublich wohltuend, Melissa McCarthy nach furchtbaren Ulknudel-Klamotten wie „Spy – Susan Cooper Undercover“ oder „How to Party with Mom“ hier als wirklichen Charakter zu sehen. Tatsächlich befolgt Lee Israel irgendwann den Rat der Agentin, ein netterer Mensch zu werden und ein sauberes Hemd anzuziehen. Das Trinken aufzugeben, wäre allerdings zu viel verlangt. „Can You Ever Forgive Me?“ entwickelt sich irgendwann zu einer kleinen Gangster-Geschichte, weil das FBI hinter einer Serie von Brief-Fälschungen her ist. Aber vor allem der Mensch-Werdung der empfindlichen und einsamen Autorin folgt man gerne. Lee Israel ist, wie sie selbst sagte, keine Dorothy Parker, aber auch ohne die lauten, unflätigen Töne ein sehr interessanter Charakter. Dass Marielle Heller aus den Memoiren der Leonore Carol Israel (1939-2014) so einen schönen Film machte, bestätigt posthum die Kommentare aller Bekannten: Du solltest mal etwas über dich selber schreiben.


Ein FILMtabs.de Artikel