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Frankenweenie

USA 2012 (Frankenweenie) Regie: Tim Burton 87 Min. FSK ab 12 Tim Burton hat in seinen letzten drei Filmen „Klassiker“ unterschiedlichster Art wiederbelebt: Mit „Alice im Wunderland“ 2010 die Kindergeschichten von Lewis Carroll. Mit „Dark Shadows“ 2012 eine legendäre TV-Serie. Und nun, in „Frankenweenie“, seinem besten Film seit langem, einen Kurzfilm aus 1984 von Tim Burton. Wie muss dieser Mann mit Kreativität überladen sein, dass er so großartig sein eigenes Werk kannibalisieren kann! In „Frankweenie“ verpflanzt Tim Burton die Frankenstein-Geschichte in sein vertrautes Territorium amerikanischer Vorstädte, in die uniformen, klinisch reinen Siedlungen, die schon in „Edward mit den Scherenhänden“ von der Avon-Beraterin heimgesucht wurden. Unter dem Mühlenhügel von New Holland lebt Victor Frankenstein. Ein Junge, der zu früh Horrorfilme gesehen hat und mittlerweile selbst mit Spielpuppen und Super-8 eigene Filmchen dreht. Hauptdarsteller ist sein geliebter Hund Sparky. Nachdem dieser als Kollateralschaden eines ungeliebten Baseball-Spiels unter ein Auto kommt, kann nur die von einem wahnsinnigen Physiklehrer inspirierte Wissenschaft Victors Trauer besiegen. Wie ein veritabler Frankenstein nutzt er das nächtliche Wetterleuchten von New Holland, um Sparky wieder einen Lebensfunken einzuhauchen – mit herrlich viel ingeniösem Getöse. Zusammengeflickt und selbstverständlich mit den zwei unerlässlichen Elektroden ausgestattet, jagt der nur scheinbar einfältige Hund akkubetrieben wieder fröhlich seinem Bällchen nach, auch wenn ihm mal der Schwanz abfällt. Dem wissenschaftlichen Durchbruch jagen wiederum Victors eklige Mitschüler hinterher, die alle den Forschungs-Wettbewerb der Schule gewinnen wollen. Das Geheimnis des Lebens in den falschen Händen und Köpfen gebiert monsterhafte Kreaturen in Serie: Aus der Lieblingsschildkröte des Japaners Toshiaki erwächst ein Godzilla. Die „Sea Monkeys“ aus der Tüte erweisen sich mit ein paar tausend Volt ausgebrütet als nicht so nett wie im Serviervorschlag der Verpackung. Die schon immer sehr seltsame Katze Wiskers eines noch seltsameren Mädchens wird ein Fledermaus-Monster. Und eine schon fast mumifizierte Ratte aufersteht als eines der vielen Horror-Wesen, die Burton in seiner Jugend gezeichnet hat. Womit wir bei der seltsamsten Geschichte von allen wären: Mit dem in ganz vielen Kleinigkeiten autobiographischen „Frankenweenie“ ist Tim auch anders wieder zuhause angekommen: Zu Anfang seiner Karriere zeichnete er für die Disney Studios in Burbank. So überzeugend, dass er einen eigenen Kurzfilm machen durfte. Dieser Realfilm war den lieben Disneys zu abstrus, sie feuerten Burton. Um nun das dicke Remake wieder als Studio zu produzieren und zu verleihen. Der verlorene Sohn darf sich darin auch über diesen scheinheiligen Laden lustig machen, indem er „Bambi“ als aktuellen Kinostreifen im biederen Nest New Holland laufen lässt. Doch derart grausame Tierquälerei wollen wir den Kinderlein nicht mehr zumuten. Im Gegensatz zu dem wundervollen Spaß „Frankenweenie“, der auch neben dem historischen Exkurs zur Frankenstein-Geschichte (komplett mit Monster, Hexenjagd und brennender Mühle) auch Sprüche fürs Leben mitgibt: „Manchmal ist es besser, nicht zu viel zu wissen“, lehren die falschen Lehrer, und „Manchmal wissen Erwachsene nicht, wovon sie reden“ erkennt der gute Vater. Dabei weiß Tim Burton, das große Kind, das seine Monster hegt und pflegt, auf fantastische und begeisternde Weise scheinbar immer, was er tut: Da hat die tote Schildkröte nicht nur eine harte Schale (engl. shell), sondern heißt selbstverständlich auch Shelley. Wie Mary, die Frankenstein geschrieben hat. Ebenso komplett und komplex genial, wie die Namensbedeutungen funktionieren die Bildzitate, Ãœberblendungen und Schattenspiele in diesem geschlossen Universum. Da könnte aus Victor junger „Edward mit den Scherenhänden“ oder Johnny Depp sein. Martin Landau gibt dem wunderbar wahnsinnigen Physiklehrer Mr. Rzykruski mehr als seine Stimme, und die Frisur der Pudeldame, in die sich Sparky verliebt, zeigt spätestens nachdem es gefunkt hat, Ähnlichkeiten mit der von Burtons Partnerin Helena Bonham Carter. Auch wenn Burton die alten Leichen der Filmgeschichte mit derart viel Liebe re-animiert, dass selbst das toteste Genre wieder zu blühendem Leben erwacht, bei Burton erschöpfen sich Kenntnis und Begeisterung für das klassische Horror-Genre von Dracula, Hammer und Co nicht in Fantum. Aus gelebter Erfahrung klagt er immer wieder den (in-) humanistischen Kern von Ausgrenzung und Verdammung an. Mit unglaublich viel morbidem Spaß.


Ein FILMtabs.de Artikel