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Der Gott des Gemetzels

Frankreich 2011 (Carnage) Regie: Roman Polanski mit Christopher Waltz, Jodie Foster, Kate Winslet, John C. Reilly 79 Min.
„Le dieu du carnage“ von der französischen Schauspielerin und Schriftstellerin Yasmina Reza erfreut sich vor allem im deutschsprachigen Raum großer Beliebtheit und zählt zu den erfolgreichsten Theaterstücken der letzten Jahrzehnte. 2006 geschrieben spiegelt es auf bissige Art und Weise die moderne Gesellschaft wider. Dabei vertraut die Handlung auf einen abgeschlossenen Raum und vier Akteure.
Eine Herausforderung für eine filmische Umsetzung, die Altmeister Roman Polanski annahm. Er verlegte die Handlung in den New Yorker Stadtteil Brooklyn der Gegenwart, drehte ironischerweise aber in Paris, wo das Stück ursprünglich verortet ist, da ihm in den Staaten nach wie vor die Inhaftierung droht. Die Anpassung des Stoffs an amerikanische Verhältnisse, die er gemeinsam mit der Dramatikerin Reza vornahm, geschah äußerst sanft. Die Gesellschaften der westlichen Welt ähneln sich doch mehr, als man vermuten mag.
Hüben wie drüben ist eine geräumige Großstadtwohnung Schauplatz des Gemetzels. Hier sind es die Cowans und die Longstreets, die aufeinandertreffen. Penelope (Jodie Foster) Longstreet ist eine Frau der Prinzipien, jederzeit bereit, als erste das Wort zu erheben, wenn Ungerechtigkeit droht – und auch wenn es nicht danach aussieht. Dagegen ist ihr Mann Michael (John C. Reilly) der spießige Ruhepool in der Beziehung. Der putzige Gutmensch hat es in der Sanitärbranche zu einer gehobeneren Position gebracht und lässt sich von niemandem in die Kloschüssel spucken, denn er ist stolz auf das, was er erreicht hat. Die beiden haben es sich gemütlich gemacht in ihrem bourgeoisen Traum, bis die Cowans hinein brechen.
Nancy (Kate Winslet) Cowan ist Börsenmaklerin und sichtbar überfordert. Stets bereit sich zu verteidigen, auch wenn sie niemand angreift, steht sie relativ allein da im Alltag. Ihr Gatte, der Anwalt Alan (Christoph Waltz), ist zu sehr damit beschäftigt, windige Pharmakonzerne, die wegen menschenverachtenden Praktiken am Pranger stehen, aus dem Dreck zu ziehen.
Durch einen Streit ihrer elfjährigen Söhne landen die Cowans bei den Longstreets. Blut ist geflossen, ein paar Zähne gingen verloren. Nur gut, dass man doch unter zivilisierten Menschen ist, die vernünftig mit der Situation umzugehen wissen. Die Formalitäten sind schnell erledigt und Nancy und Alan eigentlich schon im Türrahmen. Aber der Cobbler, ein Kuchen, will unbedingt probiert werden und eine Tasse Kaffee muss auch noch drin sein. So ergibt eine spitze Bemerkung die nächste und man ist sich schon bald nicht mehr so ganz einig, wer denn nun für das Verhalten der Söhne verantwortlich ist und welcher von ihnen mit dem Streit angefangen hat. Zwischendurch zerreist immer wieder spitzes Klingeln das Gespräch und Alan verwaltet die Kollateralschäden seiner Klienten am Handy.
Eine gewagte Konstellation, die auf der Leinwand leicht ermüden könnte. Aber immer absurdere Situationen und ein glänzend aufspielendes Ensemble erhöhen die Lust am Weiden an menschlichen Abgründen. Wenn die Oberfläche aus falschem Lächeln und höflichen Nettigkeiten zersplittert, kommen die hässlichen Fratzen der Eitelkeit zum Vorschein. Polanski ist dabei schlicht ein Besetzungscoup gelungen. Jeder der Darsteller passt perfekt in die jeweilige Rolle. Winslet als Karrierewrack, Reilly als langweiliger Schluffi, Foster als steifes Ekel und vor allem Waltz, der die Situation stets mit ätzender Galle kommentiert – es ist ein teuflisches Vergnügen, mit anzusehen wie sie ich gegenseitig fressen. Dabei steckt in ihrem Gebaren doch so viel Vertrautes.


Ein FILMtabs.de Artikel