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David Copperfield (2020)

Großbritannien, USA 2019 Regie: Armando Iannucci, mit Dev Patel, Hugh Laurie, Tilda Swinton, Ben Whishaw 119 Min. FSK ab 6

Literaturverfilmungen konkurrieren oft mit alten Büchern um die stärkere Verstaubtheit. Ausgerechnet beim besonders heftig verfilmten Charles Dickens gibt es nun einen Lichtblick: „David Copperfield“ macht mit der Machart mehr Spaß als mit der Geschichte.

Die Werdung von David Copperfield ist eine bewegte, aber keine nette Geschichte: Auf 600 Seiten des Bildungsromans von Charles Dickens erleben Kind, Junge und Mann immer wieder fiese Schicksalsschläge. Nach der Geburt aus der Perspektive des Babies endet eine glückliche Zeit mit seiner verwitweten Mutter Clara (Morfydd Clark) durch den bösen Stiefvater. Das vermeintliche Internat ist eine Flaschenfabrik und die typische brutale Kinderarbeit des Manchester-Kapitalismus. Nach vielen turbulenten Ereignissen bringt erst die Flucht zu seiner Tante Betsey Trotwood (Tilda Swinton) wieder etwas Sonnenschein in Davids Leben. Doch der fiese Studienkollege Uriah Heep stürzt die ganze Familie wieder ins Unglück, bevor die gerade noch erlebte eigene Geschichte als erfolgreiches Buch die Rettung bringt.

Der Film „David Copperfield“ eilt mit einer bunten und verrückten Idee nach der anderen im Dampflock-Tempo durch den Roman-Stoff. Da weht es mitten in der Erzähl-Szene einen Vorhang zur Seite, zum nächsten Kapitel oder gleich zum nächsten Lebensabschnitt. Oder Film-Projektionen auf Wand und Gesichter erzählen weiter, während die bedröppelten Figuren davor stehen. Regisseur Armando Iannucci („The Death of Stalin“) bricht auf herrliche Weise immer wieder die Erzählperspektive und ist damit tatsächlich dem Roman sehr nah. Dazu zeigen verzerrte Perspektiven und ausgefallene Kameraobjektive eine exquisite Ausstattung. Kostüme und Kulissen sind in der avancierten Form richtig zeitgemäß.

Alles findet im Rahmen einer Erzählung von Copperfield selbst statt, wobei er auch zwischendurch mal mit den Beteiligten diskutiert, ob sie in einer Szene vorkommen oder nicht. Die vielen schillernden Figuren, verkörpert von einer unglaublich auserlesenen Schauspieltruppe, tragen ebenfalls zum Genuss dieses Films bei: Dev Patel („Lion – Der lange Weg nach Hause“; „Best Exotic Marigold Hotel“) gibt den erwachsenen Copperfield mit schöner Verschmitztheit. Tilda Swinton („Grand Budapest Hotel”) ist als schrulligen Tante Betsey wunderbar schräg. An ihrer Seite spielt Hugh Laurie („Dr. House“) den sympathische verwirrten Mr. Dick und Peter Capaldi („Paddington”, „Dr. Who“) taucht immer wieder als mittelloser Familienvater auf.

Das multi-ethnische Ensemble, dessen Farbspektrum überhaupt nicht dem Original entspricht, ist ein interessanter Beitrag zur Diskussion um so genannte Minderheiten im Film. Insgesamt zeigt „David Copperfield“ ein tolles Filmspektakel, dessen Geschichte durch die fantastische Inszenierung ironischerweise zum uninteressantesten Teil wird.


Ein FILMtabs.de Artikel