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Der Trafikant

Österreich, BRD 2018 Regie: Nikolaus Leytner, mit Simon Morzé, Bruno Ganz, Johannes Krisch 114 Min. FSK ab 12

„Bis vor kurzem war ich noch ein Kind, jetzt bin ich noch kein Mann…“ Und mitten hinein geworfen in das unruhige Wien des Jahres 1938, sind Beobachtungsgabe und Urteilsvermögen des 17-jährigen Franz Huchel (Simon Morzé) aufs schärfste gefordert. Nachdem daheim auf dem Land der generöse Liebhaber der Mutter vom Blitz getroffen wurde, beginnt Franz als Lehrling beim Wiener Trafikanten Otto Trsnjek (Johannes Krisch). Dessen Tabak- und Zeitschriften-Laden liegt in der etwas zu übersichtlich positionierten Wiener Filmstraße links vom rechten Nazi-Fleischer.

Es sind sehr bewegte Zeiten, denn Nazi-Gewalt übernimmt die Stadt, auch die Mutter schreibt im Briefwechsel vom Land: „Überall hängt jetzt der Hitler, direkt neben dem Jesus“. Bald wird sich dieser Hitler seine Heimat wie ein Stück Fleisch einverleiben. Im Vorfeld zerstören Rechte immer wieder den Laden des Trafikanten, nur weil der beim-amputierte Kriegs-Veteran Otto jüdische und internationale Zeitungen anbietet. Und ganz mutig nicht das Nazi-Blatt.

Einer seiner Kunden ist der „Deppendoktor für Leute, die es sich leisten können“ Sigmund Freud. Franz versorgt den alten Mann bevorzugt mit Zigarren und erhofft sich Rat in Liebesdingen. Der unerfahrene Provinzler verliebte sich nämlich schlagartig in die böhmische Varietétänzerin Anezka (Emma Drogunova). Mit den üblichen Folgen Euphorie und Schmerz.

Die Verfilmung von Robert Seethalers Roman „Der Trafikant“ macht aus dem üblichen Narren als Beobachter einen sehr sensiblen jungen Mann, der in seinen Tagträumen immer das Richtige macht, sich in der Realität aber nicht traut. Sowohl gegenüber seiner großen Liebe Anezka als auch gegenüber den brutalen, rechtlosen und gemeinen Nazis. In seinen echten Träumen, wo die sehr ansprechende Bildgestaltung des Films surreal ihren Höhepunkt findet (Kamera: Hermann Dunzendorfer), zeigt sich die manifeste Bedrohung in bildgewaltigen Metaphern. Wie die vom Eisberg, der den Kahn Franzens zu zerquetschen droht. Eigentlich bestes Material für den Traumdeuter Freud, doch der erweist sich bei dem jungen Mann, den er freudig interessiert unter seine Fittiche nimmt, eher als praktischer Ratgeber. Der selbst den Rat, schleunigst nach London zu fliehen, nicht hören will.

Mit solchen dramatischen Details der Zeitgeschichte, an der bald dichtende Franz ein wenig Anteil hat, ist „Der Trafikant“ in aktueller Sichtweise eine Ergänzung zum Berlin des Jahres 1929 der TV-Serie „Babylon Berlin“. Nur halt für Wien und wesentlich weniger spektakulär. Ein gutes, schön anzusehendes Bildungsbürger-Programm mit interessant gezeichneten und auch gespielten Figuren. Zur rechten Zeit, weil es wieder an der Zeit ist, die Rechten zurückzuweisen. Leider geht der Schweizer Bruno Ganz nie ganz in der Rolle des Österreichers Prof. Freud auf. Er spielt wie gewohnt einen jovialen Onkel, deutet Altersstarrsinn und Gebrechen an, kann aber nie eine selbständige Figur aufleben lassen. Insgesamt reiht er sich in die anständige Verfilmung eines sicherlich packenden Romans ein.


Ein FILMtabs.de Artikel