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Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit

USA, Frankreich 2018 (At Eternity’s Gate) Regie: Julian Schnabel, mit Willem Dafoe, Rupert Friend, Oscar Isaac, Emmanuelle Seigner, Mads Mikkelsen, Mathieu Amalric, 111 Min. FSK ab 6

Julian Schnabel dreht einen Film über Vincent van Gogh. Das ist fast so sensationell wie Van Gogh, der einen Film über Julian Schnabel dreht. Und beim großen Ego des letzteren Malers wäre das irgendwie konsequenter. Wie man in der Dokumentation „Julian Schnabel – A Private Portrait“ über den gerne im Bademantel in die Öffentlichkeit tretenden Künstler riesiger Formate bemerken kann. Oder ist Schnabel vielleicht doch nicht der Elefant im Kunstbetrieb, als der er sich gibt? So sensibel, wie er Zweifel, Ängste und Hilflosigkeit bei Van Gogh aufspürt, bekommt dies Image endgültig Brüche.

Ein braunes Feld verblühter Sonnenblumen, ein Gang durch eine Wiese, gesehen vom energisch Dreinschreitenden. Immer wieder überfluten ganz besondere Farben die Augen. Ein kaltes Blau, das Gelb des vom Gemälde „Het gele huis“ bekannten Hauses in Arles so intensiv, dass man im Kino Angst vor Farbflecken auf den Klamotten bekommt.

Hier macht unübersehbar ein Maler einen Maler-Film und Willem Dafoe musste für diese Rolle Malen lernen. Um dann den Pinsel zu halten, wenn er das Bild „Ein Paar Schuhe“ mit seinen abgewetzten Stiefeln malt. Ob dies nun in Paris entstanden ist oder in der Provence, wo ein Großteil des Films spielt, interessiert Julian Schnabel, den Regisseur von „Basquiat“ und „Before Night Falls“, nicht. Er schaut vor allem in die Köpfe seiner Figuren. Vor allem in verschlossene Menschen wie den gänzlich gelähmten Werbechef, der so gut wie nicht mehr kommunizieren kann in „Schmetterling und Taucherglocke“. (Von dem wir hier Mathieu Amalric und Emmanuelle Seigner wiedersehen.)

So sehen wir in all dem immer wieder berauschenden, vom Piano begleiteten Seh-Genuss einen von diesen Eindrücken mitgerissenen Menschen, der in den Feldern rast, in der Erde wühlt. Aber auch mal in den Haaren einer Bäuerin am Weg, die das nicht begeistert. Es gibt wenig Handlung, aber viele emotional starke Szenen. Das Unverständnis der Kinder über die „falschen“ Bilder und die daraus folgende Brutalität der Landbevölkerung skizzieren nur einen Lebensweg. Die Kritiken in der Kunst-Gesellschaft sind parallel zum Aufenthalt in der Irren-Anstalt geschnitten. (Hier gibt es das schönste Schnabel-Bonmot: „Sind alle Maler verrückt? Nur die Guten!“) Ein langes Grundlagen-Gespräch dort über Religion und die ihr genehme Sicht der Welt, trumpft mit Mads Mikkelsen als Priester auf. Der Verweis auf das Gespräch von Pontius Pilatus mit Jesus, den er nicht verurteilen will, aber muss, verstärkt die Spannung. Die innigen Begegnungen mit dem geliebten Bruder Theo (Rupert Friend) geben Vincent Ruhe, während der Abschied vom Freund Paul Gauguin (Oscar Isaac) eine Panikattacke auslöst.

Willem Dafoes intensive Darstellung wird das Bild van Goghs in den Köpfen prägen und mit den teilweise nachgestellten Selbstporträts konkurrieren. Schnabels „Van Gogh“ ist unbedingt sehenswert, wenn auch nicht ganz leichte Kost. Die gibt es bei der Van Gogh-Episode von „Doctor Who“. Gegenüber Vincente Minnellis klassisch biographischem „Vincent van Gogh – Ein Leben in Leidenschaft“ (mit Kirk Douglas) ist das hier große Kunst.


Ein FILMtabs.de Artikel