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Widows

Widows

USA, Großbritannien 2018 Regie: Steve McQueen, mit Viola Davis, Elizabeth Debicki, Michelle Rodriguez, Cynthia Erivo, Carrie Coon, Liam Neeson, Colin Farrell, Robert Duvall 130 Min. FSK ab 16

Vier Frauen vollenden den Raubzug ihrer verunglückten Männer – das könnte „Oceans 8 1/2“ sein, in dem Frauen für einen Männerfilm einspringen. Doch unter der Regie von Steve McQueen („Hunger“, „Shame“, „12 Years a Slave“) gelang ein vielfältig spannender und außerordentlicher Film über Politiker, andere Gangster, Rassismus, Emanzipation und Liebe.

Sehr intensiv und reizvoll montiert, startet „Widows“ ohne Vorgeplänkel: Die jeweils letzten Momente der Frauen mit ihren Männern und das katastrophale Ende von deren Raubzug. Das knallt derartig, dass keinerlei Hoffnung bleibt, irgendwer könnte das wundersamerweise überleben. Unglaublich auch dabei, dass Action-Superstar Liam Neeson als Banden-Boss Harry Rawlings nach wenigen Minuten abtritt. Ab jetzt haben die Frauen das Sagen, jedoch nicht so einfach, wie sich das schreibt: Veronica Rawlings (Viola Davis), die Frau von Harry, bekommt unangenehmst drohenden Besuch. Denn die Männer haben Gangster-Boss und Stadtrat-Kandidat Jamal Manning ausgeraubt, die Millionen sind mit den Räubern verbrannt. Der alles andere als zimperliche Manning will sein Geld zurück – von Veronica. Die kultivierte Frau kann nicht mit dieser seltsamen Verbrecherlogik umgehen, aber Harry hat sein Notizbuch mit detaillierten Anweisungen zu einigen weiteren möglichen Coups hinterlassen. So ruft Veronica die anderen drei Witwen zusammen, damit sie mit einer Gaunerei ihr aller Leben retten.

Wie die Frauen, die sich vorher nicht kannten und die aus ganz unterschiedlichen Milieus stammen, sich zusammenraufen, ist so anders als in den Steroid-Männerfilmen des Genres. „Widows“ ist aber auch keiner der Filmchen, bei denen sich Frauen in Männerrollen ganz lustig – hahaha – dämlich anstellen. Die zurückhaltende, elegante Veronica, die polnische Immigrantin Alice (Elizabeth Debicki), die als Escort arbeiten muss, Linda (Michelle Rodriguez) aus Lateinamerika, deren Laden gepfändet wird und die Friseurin Belle (Cynthia Erivo) stehen mitten im echten Leben, funktionieren nicht nur als Rädchen für die Spannung. Die so sorgfältig unterfüttert jedoch umso mehr packt. Und wenn die Witwen nicht sowieso schon ungefragt Waffen und Fluchtfahrzeugen besorgen und bedienen können, wird die Sache noch spannender.

Der britische Ausnahmeregisseur Steve McQueen beleuchtet mit faszinierender handwerklicher Brillanz dabei erstaunlich viele Themen, ohne jemals thesenhaft zu argumentieren. Der Rassismus bricht aus Mulligans Vater, widerlich gespielt von Robert Duvall, hervor. Und dann wieder war die gemischte Ehe zwischen Veronica und Harry so selbstverständlich. Ja, „Widows“ ist durch Veronicas Erinnerungen an gemeinsame Zeiten auch emotional. Der schmierig korrupte Politiker Jack Mulligan (Colin Farrell) lebt nicht in dem Viertel Chicagos, für das er kandidiert, er besitzt es, erbte es von seinem Vater. Mit zynischen Sprüchen („Nepotismus ist nicht illegal“) macht er eine Karriere, die ihn eigentlich anwidert. Die blonde, langbeinige Alice könnte das zu schöne Dummchen sein, doch auch sie bekommt einen vollständigen Charakter und Entwicklung mit auf den Weg.

Das alles und mehr präsentiert Steve McQueen in durchgehend exzellenter Inszenierung, mit einer Kameraarbeit (Sean Bobbitt), die genauso packt wie die Handlung. Und einer deftigen Überraschung. Erinnern wird man sich noch lange an die unheimlich starke Frau Veronica und wie sie ihre schweren Verluste überwindet.


Ein FILMtabs.de Artikel