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The Man who killed Don Quixote

Regie: Terry Gilliam mit Jonathan Pryce, Adam Driver, Stellan Skarsgård, Olga Kurylenko 132 Min.

„The Man Who Killed Don Quixote“ war schon vor seinem Start Film-Geschichte: Terry Gilliam, als legendärer Regisseur von „12 Monkeys“, „König der Fischer“, „Fear and Loathing in Las Vegas“, „Brazil“ oder „Das Kabinett des Doktor Parnassus“, und als Ex-Monty Python nicht irgendwer, drehte im Jahr 2000 nach mühsamer Finanzierung seinen „Don Quixote“ mit Johnny Depp in einer spanischen Wüste, die plötzlich überschwemmt wurde. Obwohl es dort jahrelang nicht geregnet hatte! Neben dauernder Störung durch Militär-Überflüge erwies sich ein Bandscheibenvorfall für den dauernd im Sattel aktierenden Hauptdarsteller Jean Rochefort („Der Mann der Friseuse“) als tödlich für das Projekt. Dieses herzzerreißende Drama zeigte die wunderbare Doku „Lost in La Mancha“ schon 2002. Doch der alte Hippie Gilliam gab nicht auf und nach jahrelangen Streitigkeiten mit dem portugiesischen Produzenten Paulo Branco präsentiert er nun seinen vollendeten „Don Quixote“ als aberwitzige Reise eines Regisseurs durch seine eigene Geschichte und die Zeiten.

Der immer wieder faszinierend gute Adam Driver („Paterson“, „Star Wars“) spielt in der für Johnny Depp geplanten Rolle den zynischen Werbefilmer Toby. Beim chaotischen Dreh für einen Windkraft-Clip zwischen Windrädern und Windmühlen verkauft ein Zigeuner die Raubkopie des längst vergessenen Abschlussfilms von Toby. Und in der nächsten Nacht führt diesen ein Traum ins naheliegende Dorf Los Sueños, wo eben jener Film mit dem Titel „The Man Who Killed Don Quixote“ in Schwarz-Weiß gedreht wurde. Zur eigenen Inspiration kehrt der dekadent gewordene Künstler nach zehn Jahren dorthin zurück und fackelt bei der ersten Widerbegegnung das ganze Dorf ab. Nach einer Folge absurder Ereignisse vereinnahmt ihn der alte Schuster (Jonathan Pryce), der damals für ihn den Don Quixote spielte und der niemals wieder aus dieser Rolle rauskam, als seinen Knappen Sancho Pansa. Der Fluss der Geschichte von Cervantes setzt sich auf mehreren Ebenen aus Traum, Mittelalter und Gegenwart fort.

Es ist verrückt und fantastisch, wie Toby irgendwie in seinem eigenen Film landet und alle Texte kennt, weil er sie ja selbst geschrieben hat. Auch dass der zum zynischen Werber gewordene Künstler mit dem irren Schuhmacher und dem zum Escort-Girl abgestürzten Mädchen Angelica zwei Menschen retten muss, die seinen Träumen geglaubt haben, macht nach etwas viel Abenteuern im Mittelteil schließlich einen bewegenden Film. Doch genial ist die selbstreflexive Besetzung mit dem großartig aufspielenden Jonathan Pryce, der ja schon 1985 in Gilliams „Brazil“ den aus der Realität flüchtenden Träumer gab. Zwischen den üblichen Zwergen und Riesen, den dämonischen Rittern erweist sich der einzigartige Regisseur wieder als Meister des Fantastischen. Das war er schon in einer Zeit, als dies noch nicht wie Fantasy buchstabiert wurde.

Eigentlich ist es tragisch, dass Terry Gilliam immer wieder seine Schauspieler vor Vollendung des Films wegsterben: Hier waren es Jean Rochefort und William Hurt in der Rolle des Don Quixote. Aber schon „Das Kabinett des Doktor Parnassus“ rettete er über den Tod von Heath Ledger hinaus und ersetzte diesen genial durch unter anderem Johnny Depp, Jude Law und Colin Farrell. Nun doppelt er die Idee des Romans „El ingenioso hidalgo Don Quixote de la Mancha“ (1608) von Miguel de Cervantes, macht ein wenig auf „8 1/2“ mit Suche eines Filmemachers nach Inspiration und Wahrheit, lässt für die vom Kommerz bedrohte künstlerische Unschuld metaphorisch eine schöne Frau, sprich: Dulcinea, leiden. Nebenbei spielen sich die Semana Santa, Halloween und ein Mummenschanz kurz hintereinander ab, die spanische Inquisition rechnet mit modernen Einwanderern aus Marokko ab, ein russischer Wodka-Oligarch wird ebenso bloß gestellt wie in einem Nebensatz Trump. Das sind ganz schön viele Windmühlen-Flügel, in denen sich ein Film verheddern kann. Aber letztlich obsiegt die Illusion und mit Terry Gilliam einer der letzten Don Quixotes des Filmemachens.


Ein FILMtabs.de Artikel