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Nach dem Urteil

Nach dem Urteil

Frankreich 2017 (Jusqu’à la Garde) Regie: Xavier Legrand mit Léa Drucker, Denis Ménochet, Thomas Gioria, Mathilde Auneveux 90 Min. FSK ab 16

Der Wunsch des Kindes spricht gegen den Vater. Die Aussagen von Zeugen über seine Gewalttätigkeiten und das Erscheinungsbild des Mannes ebenso. Die Frau sitzt im Familiengericht zierlich und müde daneben, er ist massig und laut. Dazu sprechen Statistik und Wahrscheinlichkeit ein deutliches Wort über die Rollenverteilung von Täter und Opfer. Nur die Richterin spricht kein deutliches Wort, sondern ein krasses Fehlurteil. Ein harter Schnitt und Antoine Besson (Denis Ménochet) steht wie ein Prolet hupend vor dem Haus von Miriam Bessons (Léa Drucker) Eltern. Ex-Frau und Kinder kauern ängstlich im Zimmer. Aber der Vater darf seinen Sohn Julien (Thomas Gioria) nun jedes zweite Wochenende sehen. Obwohl er gar kein Interesse an seinem Kind hat, er will nur sein Recht haben. Und benutzt das Kind im Streit und als Geisel.

In der Folge des krassen Fehlurteils zersetzt dieser Terror in seiner alltäglichen Form ganze Familien: Der Junge versucht die Mutter vor diesem cholerischen, gewalttätigen Machtmenschen zu schützen, den wohl selbst ein Kontaktverbot nicht aufhalten würde. So zwingt er seinen Sohn, erst die neue Handy-Nummer und dann noch die geheime Wohnung der Mutter zu verraten. Da ist es schon kaum erträglich, wie das Kind in seiner Gewalt leiden muss. Aber Regisseur und Autor Xavier Legrand steigert in seinem Debütfilm, für den er 2017 bei den Filmfestspielen von Venedig mit dem Regiepreis ausgezeichnet wurde, Leid und Spannung weiter. Dabei verbreitet die Angst ein gewalttätiges Monster nicht wie aus dem Kino, sondern wie in der richtigen Welt. Eine menschliche Zeitbombe, die selbst heulend und im Selbstmitleid badend, sich immer noch ohne jegliches Mitgefühl, nimmt was er will. Konsequent bekommt dieser Unmensch, der selbst von seinen eigenen Eltern rausgeschmissen wird, auch kein Verständnis vom Film.

„Nach dem Urteil“ ist gnadenlos in der Entwicklung und vor allem in seinen harten Schnitten. Ein Thriller, der leider furchtbar real und alltäglich ist, aber auch deshalb so wirkungsvoll.


Ein FILMtabs.de Artikel