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Nico, 1988

I/B 2017, Regie: Susanna Nicchiarelli mit Trine Dyrholm, John Gordon Sinclair, Anamaria Marinca, 93 min

Eigentlich wundert es, dass noch niemand einen Spielfilm über Nico gedreht hat. Die einzige nennenswerte Aufarbeitung ihres bewegten Lebens stellt Susanne Ofteringers »Nico Icon« von 1995 dar. Dabei eignet sich ihr exzessiver Lebensweg hervorragend für ein schillerndes Biopic. Nun hat sich die italienische Filmemacherin Susanna Nicchiarelli, die selbst vom Dokumentarfilm kommt, der Künstlerin gewidmet. Vom Glanz vergangener Tage lässt sie dabei allerdings kaum etwas durchschimmern. Ende der Achtziger liegt Nicos Kindheit als Christa Päffgen ebenso lange zurück wie ihr Aufstieg als Model, Schauspielerin und Musikerin mit dem markanten Look und Künstlernamen. Sie war die Muse von John Cale und Leonard Cohen. Sie liebte das Experiment, sei es in ihrer Kunst oder in ihrem Privatleben. Sie ließ nichts aus und zahlte den Preis. Im Jahr 1986 ist sie ein Wrack. Körperlich am Ende und schwer gezeichnet von ihrer jahrelangen Heroinsucht driftet sie durch Europa mit einer Begleitband aus Musikern, die unter ihren Launen zu leiden haben. Der Entzug kommt eher ungewollt, gibt ihr aber die Möglichkeit zur Versöhnung mit ihrem Sohn, der bei den Großeltern in Frankreich aufwuchs. Mit Ari fasst sie neuen Mut. Doch für Christa ist es zu spät, um ihr Leben herumzureißen. Sie stirbt im Sommer 1988. Nicchiarelli rekonstruiert die letzten zwei Jahre als traumgleiches Road-Movie vorbei an den Schluchten der Einsamkeit und persönlichen Abgründen. Erinnerungen an die wilden Jahre in New York sind ebenso flüchtig wie jene an ihre Kindheit im zerbombten Berlin. Die Dänin Trine Dyrholm (»Das Fest«), hat zwar wenig Ähnlichkeit mit der hageren Deutschen, lässt das aber durch ihre Leinwandpräsenz schnell vergessen. Sie verleiht dem komplizierten Charakter Nicos eine faszinierende Form, zerrissen zwischen Zerbrechlichkeit und emotionaler Abgestumpftheit.


Ein FILMtabs.de Artikel