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Frühes Versprechen (2017)

Frankreich 2017 (La promesse de l’aube) Regie: Eric Barbier, mit Pierre Niney, Charlotte Gainsbourg 131 Min. FSK ab 6

Sie ist die Mutter aller Helikopter-Mütter! So wie der Schriftsteller, Regisseur, Diplomat und Kriegsflieger Romain Gary in seinem autobiografischen Roman „Frühes Versprechen“ (La promesse de l’aube) seine Mutter schildert, kann dieses Leben nur ein tragisch absurder Schelmenroman aus Kriegszeiten werden. Charlotte Gainsbourg besiegt als Mutter Nina die Altersmasken, Pierre Niney kann dem Autoren spät etwas Format geben.

Romain Gary (1914-1980) war einer der schillerndsten Autoren der französischen Literatur. Literat, Filmregisseur, Weltkriegspilot und Diplomat. Er war unter anderem mit Jean Seberg verheiratet, schrieb rund 30 Romane, Drehbücher und Geschichten und benutzte fünf Pseudonyme. So – unter zwei Namen – erhielt er als einziger zweimal den französischen Literaturpreis Prix Goncourt. Dass dies so kommen würde, wusste Nina Kacew (Charlotte Gainsbourg) schon in Armut und unfreundlicher Umgebung seiner Kindheit in Polen. Eine adelige Abstammung fantasiert die energische Person ebenso herbei wie die glorreiche Zukunft ihres völlig überforderten Sohnes.

Dass er als Künstler berühmt werden soll und auch Diplomat, ist klar. Romains Talent zur Musik erweist sich allerdings als schmerzlich beschränkt. Und des Kleinen Leidenschaft für die Malerei wird resolut unterdrückt, denn nachher würde er sich noch wie von Gogh ein Ohr abschneiden. So wird Nina ihr Kind lebenslang zur Schriftstellerei drängen. Um als Näherin zu überleben, inszeniert sie den vermeintlichen Besuch eines Pariser Couturiers – gespielt von einem gedungenen heruntergekommen Schauspieler.

Als der erwachsene Romain irgendwann von Nizza nach Berlin aufbrach, um Hitler umzubringen, gab es dreißig Prozent Ermäßigung der Reichsbahn! Die Autobiografie von Romain Gary ist voller solcher skurriler Details. Trotzdem handelt es sich um eine absurd tragische Figur – der Mensch dahinter fühlte sich erst mit der ersten Buchveröffentlichung wirklich geboren und brachte sich mit 66 Jahren um. Doch „Frühes Versprechen“ ist eigentlich die Lebensgeschichte der Mutter von Gary, Nina Kacew. Durch die dicken Masken einiger Jahrzehnte packend von Charlotte Gainsbourg gespielt.

Ansonsten holpert „Frühes Versprechen“ durch biographischen Anekdoten und Erinnerungen von Vilnius über Warschau nach Nizza, Paris und Nordafrika. Der Film bleibt dabei erstaunlicherweise an der Oberfläche, der kleine Romain interessiert nicht besonders, allein die Mutter ist eine faszinierende Person. Das Jetzt eines körperlich und seelisch kranken Autoren blitzt in der mexikanischen Rahmenhandlung nur am Rande auf, dabei wäre es interessant zu sehen, was der Leistungsdruck solch einer Mutter für Folgen hat. Ein Thema ist der Antisemitismus, der sich von Polen nach Frankreich durchzieht. In der Armee wird Gary als einziger nicht befördert, die Dreyfus-Affäre klingt nach. Doch selbst als unser Held als einziger von 300 Soldaten nicht befördert wird, macht ihn das in den Augen seiner wahnsinnigen Mutter „zu jemand einzigartigem“. Dass Frankreich den Krieg gegen Deutschland verlieren könnte, ist für ihn undenkbar, weil die Mutter eine Niederlage nicht verkraften würde.

Nachdem die Figuren der jüngeren Darsteller wenig eindrucksvoll vorbeiziehen, interessiert die Hauptfigur erst, als Pierre Niney („Frantz“, „Yves Saint Laurent“) sie spielt. Wenn dieser Romain wie durch ein Wunder in letzter Minute nicht ins zum Absturz verdammte Flugzeug nach England steigt, ist dies wie im Schelmen-Roman. Aber wieder will er nur für die Mutter ein Soldat und Held sein. Das erinnert als Hymne auf die trotz ihres Wahnsinns geliebte Mutter, an die Marcel Pagnol-Biographie „Das Schloss meiner Mutter“. Die wurde von Yves Robert 1990 allerdings reich und meisterlich verfilmt.

„Frühes Versprechen“ wird als Geschichte eines berühmten Muttersöhnchens, das mit dem Foto der Mutter im Flieger Krieg gegen Deutschland führt, der Person von Romain Gary sicherlich nicht gerecht. Was sonst in ihm vorgeht, weiß man selbst nach zwei Stunden Film nicht. Der Film endet schlüssig mit dem Tod der Mutter.


Ein FILMtabs.de Artikel