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Fahrenheit 11/9

USA 2018 Regie: Michael Moore, mit Michael Moore, Donald Trump, Barack Obama, Katie Perry 128 Min.

Der vielfach ausgezeichnete Politfilmer und Oscar-Preisträger Michael Moore seziert die präsidentielle Katastrophe Trump mit Witz, Geist und überraschenden Perspektiven – weit entfernt von dem bislang erfolglosen Verspotten all der unfassbaren Idiotien Trumps durch die Satire. Die Dokumentation „Fahrenheit 11/9“ ist eine unbedingt sehenswerte und sehr unterhaltsame Politik-Geschichte des Regisseurs von „Bowling for Columbine“.

In nur fünf Minuten einen historischen Umbruch mit Fakten und Gefühlen zusammengefasst, das ist modernes Politkino vom Feinsten! Der sichere Sieg von Hillary Clinton kippt ins Entsetzen angesichts des Sieges eines dummen Polit-Clowns. „Wie verdammt noch mal konnte das passieren?“ lautet nun die Frage von Moore. Die Antwort ist vielschichtig und enthält sogar eine Selbstanklage: Obwohl Moore Dank der guten Kenntnis seiner Mitbürger in Michigan von dem Potential für dummen Populismus wusste, hätte auch der Regisseur den Kandidaten lange nicht ernst genommen. So sehen wir Bilder und Erinnerungen an frühere Begegnungen Moores mit Trump und seiner Familie im Rahmen der Fehler, welche die Medien gemacht haben.

Das ist mit Pop-Songs und Opernmusik so gut präsentiert, dass es glatt als Propaganda durchgeht. Und die Frage „Ist das noch politisch?“ bleibt auch beim nächsten von einigen Themenblöcken: Da sehen wir gleich mehrere Journalisten, die extrem aggressiv gegen Hilary Clinton vorgingen und tatsächlich alle wegen sexueller Übergriffe angezeigt wurden. Nimmt man dazu Trumps eigene, extrem seltsame Aussprüche in Richtung seiner Tochter, kommt zur Abscheu die Frage, ob das hier hin gehört.

Doch immer wieder zeigt sich Moore als einzigartiger Aufdecker und Provokant: Vor allem in der Geschichte aus seiner Heimat Flint, in der die Wasserversorgung durch eine neoliberale Seilschaft extrem dreist ausgebeutet wurde. Wieder wird in wenigen Minuten das erschütternde Drama skizziert, wie vor allem Farbige über das Trinkwasser mit Blei vergiftet wurden. Erst als das miserable Wasser die Autoindustrie gefährdet, bekommt diese wieder gutes Wasser, während die Menschen weiter aus einem verschmutzten Fluss sind versorgt wird.

Das ist ein typischer Moore – bitter, sarkastisch und unerbittlich. Bis zum Moment, wo er die Villa des verantwortlichen Gouverneurs eigenhändig mit dem vergifteten Wasser berieselt. Selbst Obama macht hier keine gute Figur. Wie die ganze etablierte Demokratische Partei auch ihr Fett abbekommt. Bei all den kleinen und den himmelschreienden Anklagen behauptet der Filmemacher jedoch, dass die USA eine linke und die liberale Bevölkerung hätten – der nur ein undemokratisches Wahlsystem im Wege steht.

Neu an diesem Film, der mit einem Amoklauf so eine Art „Best of“ von Michael Moores Themen ist, zeigt sich die Hoffnung: Angesichts einer starken Gruppe von jungen Kongress-Kandidatinnen für die Demokraten zeigt „Fahrenheit 11/9“, dass es auch demokratisch geht. Unter ihnen ist übrigens die momentan sehr populäre, tanzende Kongress-Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez. Eine Gruppe rebellierender Schüler schafft es, einen rassistischen und sexistischen Kandidaten, der von der Waffenindustrie finanziert wurde, aus seinem Wahlbezirk zu schmeißen.

Es sind eine Menge unglaublicher, schockierender, aber auch hoffnungsvoller Geschichten, die Michael Moore hier schon für den Wahlkampf 2020 in Position bringt. Frech und flott präsentiert, unterhaltsam und lehrreich, sicher auch für eine SPD. Spätestens, wenn Moore Hitler mit Trump vergleicht und dessen Ambitionen auf mehr als zwei Amtszeiten deutlich macht, kann diesmal niemand mehr sagen, man hätte diesen Clown nicht ernst genommen.


Ein FILMtabs.de Artikel