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25 km/h

BRD 2018 Regie: Markus Goller, mit Lars Eidinger, Bjarne Mädel, Franka Potente, Alexandra Maria Lara, Sandra Hüller 116 Min. FSK ab 6

Mit zwei alten Mofas und Vollgas ins verrückte Vergnügen! Schauspiel-Gott Lars Eidinger und Komödianten-König Bjarne Mädel fahren als entfremdete Brüder auf einen genialen Road-Trip, finden sich selbst und viel Spaß.

Der eine lebt in Singapur, aber sieht nur sein Geschäft und nichts von der Welt. Der andere immer noch im Schwarzwald, wo er den Vater pflegte. Zu dessen Begräbnis kommt der überaus geschäftige Jetsetter Christian (Lars Eidinger) selbstverständlich zu spät. Mit Bruder Georg (Bjarne Mädel) prügelt man sich deshalb noch auf dem Friedhof. Abends im alten Haus der Familie dauert es eine Weile und ein paar Bier, bis der frustrierte Georg überhaupt den Mund aufmacht. Ein paar Flaschen später spielen sie wieder wie in Jugendtagen Tischtennis. Unter den Tisch geschmettert und gesoffen, entdecken sie schließlich die detaillierte Karte ihres gemeinsamen Jugendtraums: Mit dem Mofa quer durch Deutschland bis an die Ostsee. Mit genügend Alkohol im Tank und den Mofas aus der Scheune geht es noch in der Nacht los. Erst am nächsten Morgen, verkatert im schicken Wellness-Hotel, denken der Gestresste und der Frustrierte über ihren Plan nach. Zu dem gehört unter anderem viel saufen (check!), Sex haben, mit Arschbombe in den See und die ganze Karte vom Griechen aufessen!

„25 km/h“, das genialste Road-Movie seit „Easy Rider“, ist auch für das Publikum ein 70er-Flash mit The Cure, T-Rex und Bonanza-Rad, eine deutsche „Blues Brother“-Verbeugung, ein sensationeller Spaß und feinster Schauspiel-Genuss. Die schöne Geschichte zweier unterschiedlicher Brüder, die nach 30 Jahren in einem verrückten Abenteuer wieder zueinander finden, reicht schon für einen guten Film. Exzellent wird „25 km/h“ durch die Besetzung.

Bühnen-Star Lars Eidinger (zwischen „Babylon Berlin“ und Mackie Messer) muss sich im Haus der Kindheit („alles wirkt so klein“) nur die Krawatte um den Kopf binden, um wieder wildes Kind zu sein. Die Rampensau darf er beim Stepptanz auf dem Weinfest rauslassen, dabei deutsche Spießigkeit anschreien und nackten Hintern zeigen. Eidinger hat selbst auf dem Moped mit Chopper-Lenker und Rückenlehne a la Bonanza-Rad noch was von einem Shakespeare-Prinzen. Bjarne Mädel, der zu sehr auf Bert aus „Stromberg“ und den genialen „Tatortreiniger“ (auch dort schon mal mit Eidinger) reduziert wird, hält nicht nur beim Steppen mit dem Super-Star mit. Beide grandiosen Vollblutschauspieler spielen so, dass man es sich nicht anders vorstellen kann, als dass sie selbst extremen Spaß beim Dreh gehabt haben. Beim Mofa-Rasen am Geschwindigkeits-Blitzer, beim Tischtennis-Spielen, beim Baden im einsamen See. So sehr die beiden als Christian und Georg in ihre Rollen-Klischee passen, sie übererfüllen diese Rollen enorm.

Die eigentliche Überraschung ist jedoch Regisseur, Ko-Produzent und Cutter Markus Goller: Dass der Macher von „Simpel“ (2017) oder „Eine ganz heiße Nummer“ (2011) so eine perfekte menschliche Komödie hinlegt, hätte man nicht erwartet. Hier ist der Dialog große Klasse (Buch Oliver Ziegenbalg ), das Timing des entschleunigten Road-Movie stimmt, die Kamera von Frank Griebe gut wie immer. Warum wird nicht mal so was zum Oscar eingereicht? Aber bis dahin gilt das Motto „Denk einfach nicht nach und lass uns fahren“, ins nächste Kino!


Ein FILMtabs.de Artikel