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Krieg der Knöpfe

Frankreich 2011 (La nouvelle guerre des boutons) Regie: Christophe Barratier mit Laetitia Casta, Guillaume Canet, Kad Merad, Jean Texier, Clément Godefroy, Ilona Bachelier 100 Min. FSK ab 6 Auf sie mit Gebrüll! Ganz kurz kann man noch lächeln über den Streit der Kinder aus den Nachbardörfern Longeverne und Velrans. Und staunen: Nachdem der große Lebrac (Jean Texier), bald Anführer der Longeverne-Bande, einige von Velrans beim Wildern erwischte, fliegt erst ein deftiges Schimpfwort hin und her. „Ihr Schlappschwänze!“ Das muss sich der kleine Gibus (Clément Godefroy), der Zwerg der Truppe, erst mal erklären lassen. Doch Hauptsache, es gibt einen Grund, einander aufzulauern und zu verprügeln. Von nun an trifft man sich dazu jeden Donnerstag. Es ist März 1944 in Südfrankreich, Vichy blickt im Klassenzimmer streng von der Wand herunter. Der besonnene, junge Lehrer Paul (Guillaume Canet) versucht Verantwortung füreinander und sozialen Umgang zu vermitteln. Der faschistische Museums-Führer sabbert beinahe vor Begeisterung bei seiner Hymne auf ein gestähltes klassisches Körperideal. Die nächste Attacke führen die Jungs von Lebrac deshalb in Unterwäsche aus – fast wie die alten, nackten Griechen. Obwohl das Großmaul Lebrac jede Bildung verweigert, interessiert ihn plötzlich die Lektüre der Punischen Kriege. Aus taktischen Gründen und wegen der neuen Schülerin Violette (Ilona Bachelier), die aus Paris kommt und eigentlich nichts mit den „Affen“ vom Land zu tun haben will. Doch längst zeigt die im großen Stil inszenierte Neuadaption eines Kinderklassikers, dass die Kriegsspiele kein Spaß mehr sind, auch wenn man weiter über den niedlichen Zwerg Gibus lachen kann. Die titelgebende Entfernung von Knöpfen der „Gefangenen“ wird von Lebrac als Folter angekündigt und meist so gefilmt, dass die Messer auch Grausames anrichten könnten. Der richtige Krieg kommt schließlich richtig im Bewusstsein der Kinder an, als eine jüdische Familie abtransportiert wird. Das Kommando wollen Rabauken und ehemalige schlechte Schüler von Paul haben, denen selbst die Vichy-Uniform deutlich zu groß ist. Als der dicke Sohn vom dicken Bürgermeister seinen zweiten Verrat begeht und nun alle wissen, dass Violette eine geflohene Jüdin ist, muss der Widerstand aus dem Untergrund kommen und die Dorfgemeinschaft verbündet sich ebenso wie die Jugendbanden. Christophe Barratiers Verfilmung von Louis Pergauds 1912 erschienenem Roman „Der Krieg der Knöpfe“ schafft es trotz doppelter Kriegs-Thematik, ein „netter“ Kinderfilm zu sein. Fast ein Wohlfühlfilm. Die neue Adaption, nach dem Klassiker von Yves Robert aus dem Jahre 1961, ist Großes Kino mit Kranfahrten für die weiten Landschaften, mit dickem Orchester für die kleinen Schlachten, mit tollen Schauspielern auch bei den Jugendlichen. Vor allem das Buch ist mit dem schwierigen Verhältnis von Lebrac zu seinem Vater (Kad Merad), mit der kleinen sowie der großen Liebesgeschichte zwischen Paul und Violettes „Patin“ sehr sorgfältig geschrieben. Doch „Der Krieg der Knöpfe“ ist kein Anti-Kriegsfilm, denn die Jungens aus den beiden Dörfern einigen sich nur auf einen Waffenstillstand, um den gemeinsamen Feind zu bekämpfen. Danach kann es wieder fröhlich weitergehen mit dem hirnlosen Köpfe-Einschlagen. Der skeptische Blick der Vorlagen auf ein unmögliche Zivilisation der kriegerischen Gattung Mensch ist völlig getilgt. Nur das Ziel, die Eroberung von Knöpfen, bleibt schön absurd. Ãœbertragen lässt es sich auf alles, bis hin zum Spiel der Nachbarn Israel und Iran, die jeder für sich Atombomben sammeln wollen. Dann doch lieber Knöpfe.


Ein FILMtabs.de Artikel