Schöne Venus

Fr 1998 (Vénus beauté (institut)) Regie Tonie Marshall, 105 Min.
mit Nathalie Baye, Bulle Ogier, Claire Nebout, Samuel Le Bihan, Jacques Bonnaffé

Wie ein rosa und hellblauer Puppenkasten erstrahlt der Schönheitssalon "Venus Beauté" von außen. Das zauberhafte Klingen des Glockenspiels an der Tür markiert den Eintritt in eine leuchtende Kunstwelt, das Leben auf der Straße rauscht nun in sicherer Entfernung hinter Glas weiter. Nur ein kleines Fensterchen im Aufenthaltsraum der drei Angestellten läßt von außen etwas Luft hinein und von innen Blicke heraus.

Die zu leicht geratene Komödie widmet sich vor allen der Vierzigerin Angèle (Nathalie Baye), die jedoch zwischen den beiden jungen Kolleginnen nicht auffällt. Sie wäscht sich "wie ein junges Mädchen" täglich mit eiskaltem Wasser, verzichtet trotz deutlicher Hinweise der Patronin Madame Nadine (Bulle Ogier) auf Schminke. Halbherzig versucht Angèle immer wieder mal mit einem alten Freund aus Schulzeiten etwas anzufangen. Mit der "grausamen Liebe" hat sie jedoch nach traumatischen Eifersuchtserlebnissen abgeschlossen, sagt, wie es einmal dieser Freund auf den Punkt bringt, "immer das Gegenteil von dem was sie fühlt." Die überraschende Liebeserklärung des jungen Fremden Antoine (Samuel le Bihan) verwirrt sie allerdings zunehmend und nach widerspenstigen Abwehrversuchen läßt sie sich doch auf den optimistischen Verliebten ein.

Nur einige auffällige Stilmomente unterbrechen die Vorherrschaft der Halbtotalen in "Schöne Venus". Ausgewogen verläuft der Film auch im emotionalen Bereich. Allein die eindrucksvolle Angèle der Hauptdarstellerin Nathalie Baye ragt heraus. Stolz geht sie durch einsame Momente, mädchenhaft plappernd macht sie verblüffte Männer im Schnellrestaurant an, das Verzagen tritt nur selten hervor. (Der reife und zugleich junge Charakter ähnelt vielen Rollen der Amerikanerin Holly Hunter.)

Der Mikrokosmos einer Künstlichkeit, die sich Schönheit nennt, läuft derweil als wohlwollend komödiantischer Hintergrund mit. Eine weitere Hauptrolle spielt der bunte Reigen der Kundinnen. (Unter den Gästen und Kunden finden sich viele bekannte Französinnen wie Brigitte Roüan oder Claire Denis.) Eine exhibitionistische Vielbräunerin, der alte Flieger und dessen Sonderbehandlung durch die junge Marie (Audrey Tautou) sowie die verschiedenen Methoden der Haarentfernung erleiden nur leichten Spott, der weit entfernt von den wahren Qualen dieser Behandlungen bleibt. Hier ist "Schöne Venus" oberflächlich wie Schminke auf der Haut und weit entfernt davon, eine weibliche Version von Harvey Keitels Zigarrenladen aus "Smoke" zu sein.

Insgesamt hat der Film zu wenig bemerkenswerte Momente, aber gerade der letzte ist ein ganz besonderer: Die Probleme mit der ehemaligen, jungen Verlobten Antoines drohen zu eskalieren, doch dieser wendet im Finale gleichzeitig die Tragödie wie auch das Trauma Angèles ab. Unter einem künstlich-romantischen Funkenregen verabschiedet sich der Film vom glücklich vereinten Paar.

Nach dem sehr reizvollen Frauenportrait "Die Detektivin" (Pas très catholique) kann diese vierte Inszenierung der Schauspielerin und Regisseurin Tonie Marshall nicht überzeugen. Sie schrieb das Buch für ihren zweiten Film mit Nathalie Baye übrigens zusammen mit Marion Vernoux ("Love etc.", "Niemand liebt mich").


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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