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Lars von Trier - Portrait

Für alle, die als Arte-isten auf TV be-geistert Lars von Triers Krankenhaus-Vierteiler Geister verfolgten, gibt es jetzt mehr von dem verrückten dänischen Filmer: Mit dem ultimativen schwarz-gelben Detektiv-Film The Element of Crime (1984) und Europa (1991) läßt es sich vortrefflich ein- und untertauchen in dessen pessimistisch-komische Welten.

Denn Lars von Trier sagt, "Film ist Hypnose", und läßt auch Europa hypnotisch mit der Stimme Max von Sydows (im Original) beginnen, der über dem eintönigen Bildrauschen dunkler Gleise von Eins bis Zehn zählt. Die Beschwörung versetzt Leopold Kessler und das Publikum ins Europa des Oktober 1945. Nachdem The Element of Crime eine fiktives Städteviereck um Halbestadt ausmaß, bewegt sich Europa auf dem Gleisdreieck zwischen Frankfurt, Berlin und München. Kessler, ein Amerikaner deutscher Abstammung, beginnt bei der Zuggesellschaft Zentropa eine Ausbildung zum Erste-Klasse-Schaffner, verliebt sich in die Tochter (Barbara Sukowa) des Zentropa-Besitzers Max Hartmann (Udo Kier, die deutsche Konstante in den letzten von Trier-Filmen, spielt den Sohn - und wie!). Dabei gerät Kessler zwischen die Fronten von amerikanischen Besatzern und faschistisch-nationalistischer Werwolf-Organisation.

Von Trier selbst hat in diesem populäreren und hochrangig besetzten Werk einen Auftritt als ehemaliger KZ-Häftling.

Mein erste Begegnung mit dem Dänen war der jahrelang als Geheimtip gehandelte The Element of Crime. Ein kahlgeschorener von Trier (in der Rolle eines schmierigen Portiers) eröffnet diesen Einblick in eine Gesellschaft, für die Endzeit schon längst vorbei ist. Es ist ein film noir, der durch sein dreckiges Gelb nur noch schwärzer wird. Der Detektiv Mr.Fisher ließ sich in Kairo hypnotisieren, um seine vergangenen Europa-Erlebnisse zu verarbeiten: Der Kriminalfall um den Lottomörder spielt sich in einem absurden, futuristisch zerfallenen Deutschland ab, in dem es dauernd regnet. Das Chaos herrscht brutal und häßlich; die Banji-Jumper machen noch nicht wie die heutigen Weicheier kurz vor der Erdoberfläche halt.

Getreu der Methode seines Lehrers begibt sich Fisher immer tiefer in das Leben des vermeintlichen Täters. Am Ende bleibt alles im Dunkeln und es scheint Fisher unmöglich, aus der Hypnose zurückzukehren. Sie sind schon fesselnd die Filme des Lars von Trier, obwohl er es schwierig mag: In The Element of Crime wählte er nie die gewöhnliche Kameraeinstellung. Spiegel helfen oft, ungewöhnliche Blickwinkel zu finden und verschiedene Elemente zusammenzufassen. Lange Kamerafahrten verwirren die Orientierung. Mehrfachbelichtungen bringen bei den irren Bildern Europas bis zu fünf Bildebenen zusammen. Schauspieler reden mit Rückprojektionen. Farbe wird nur mit deutlicher Signalwirkung eingesetzt. Kurz: Ein stilistisches Meisterwerk. So gut, daß irgend jemand mir meine Videocassetten mit der "E-Trilogie" nicht zurückgegeben hat .

Dabei erzählt Lars nicht ohne Humor: Nach Jahren erwarte ich immer noch von Plastikbechern, daß der Henkel abbricht, wie er es in Element regelmäßig tut. Und sind auch sonst nicht ohne: Bei Lars taucht die gesellschaftliche Fäulnis aus dem Wasser auf. Mal schwimmt ein Pferdekopf (Element), mal eine Hand (Geister), mal ein ganzer Eisenbahnwagen samt Filmheld unter der Oberfläche. (Europa mit Jean-Marc Barr - wer ihn aus Im Rausch der Tiefe kennt, weiß, wie gut er Tauchen kann.) Epidemic (1987), dieser lang vernachlässigte Mittelteil der E-Trilogie von Triers ist jetzt übrigens zumindest auf Video zu sehen (235 Media, Köln). Auch in Epidemic reist Lars durch ein nasses Industrie-Deutschland, das Lust an seinem Spiel weicht allerdings dem Horror einer minutenlang schreienden Frau: In Hypnose durchwandert sie eine verseuchte Stadt und kann nicht von der schrecklichen Trance befreit werden. Viel Spaß!

Filmographie:

1984 Element of Crime
1987 Epidemic
1988 Medea
1991 Europa
1994 Geister / The Kingdom I
1996 Breaking the Waves
1997 Geister / The Kingdom II
1998 Idioten
???? Taps


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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