Epidemic

Dänemark 1987 (Epidemic) Regie: Lars von Trier ca. 90 Min.

Einige Tage vor dem Gespräch mit dem Produzenten verschwindet das Drehbuch der jungen Autoren in den unendlichen Weiten eines Computers. Beim Versuch, die Geschichte zu rekonstruieren, entscheiden sich die beiden für eine neue Story und tippen den Schriftzug "Epidemic", der ab jetzt in roten Lettern immer oben links im Bild bleiben wird.

Bei der Recherche zur Historie, in der eine Stadt von der Pest heimgesucht wird, tauchen auch im Dänemark der Jetzt-Zeit Anzeichen einer Epidemie auf. In fünf Tagen entwickeln sich ein neues Script und die Seuche. Im Wechsel zweier Erzählebenen - die Arbeit am Script und Szenen des gleichen, bereits realisierten Films - verbindet Lars von Trier (der selbst mit Ko-Autor Nils Vorsel die Autoren spielt) Humor und Horror. Beim Zusammentreffen beider Stränge auf dem Höhepunkt des Films, begibt sich eine Frau unter Hypnose in die Welt der fünfzehn Skriptseiten von "Epidemic". Nur ihr Wimmern und Schreien dringt aus dem Grauen, das sie nicht verlassen kann. Das Wissen, daß diese Hypnose-Szene nicht gespielt sein soll, macht sie noch erschreckender. "Epidemic" erfüllt den selbstgestellten Anspruch, "ein Film sollte sein wie ein Stein im Schuh".

Zuletzt hat Lars von Trier die Arte-isten auf TV mit "Riget/Geister" be-geistert. Jetzt erscheint mit Epidemic (im dänischen Original mit englischen Untertiteln) ein älteres Extremwerk des Dänen, das zwischen seinen Spielfilmen "Element of Crime" und "Europa" anzusiedeln ist. Es gibt ein Wiedersehen mit Triers bevorzugten Szenen im Wasser. Gewölbe und Schatten bestimmen seine Ästhetik. Thematisch taucht schon in "Epidemic" die nur dem eigenen Wohl verpflichtete Ärzte-Kaste aus der Fernsehserie "Geister" auf. Triers deutscher Lieblingsschauspieler Udo Kier spielt allerdings am Aachener Weiher in Köln noch eine andere Rolle, bei der sich erstmals die spannende Frage stellt, ob Kiers Story einer Bombennacht Fiktion oder Augenzeugen-Bericht ist. Damit stellt von Trier zum ersten Mal in "Epidemic" die Wirkungsweise von Spielfilm in Frage: Sind wahre Geschichten erschütternder als Fiktion? Ein weiteres, wichtiges Rätsel wird gelöst bei Triers Deutschland-Trip, der wie in "Europa" mit dem Abzählen von Zehn bis Eins beginnt: Das Geheimnis der Streifen in vielen Zahncremes.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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