Fightclub

USA 1999 (Fight Club) Regie David Fincher, 141 Min. FSK ab 16

Die erste Regel im Fight Club lautet: Man spricht nicht über den Fight Club ... Das wird schwer einzuhalten sein, denn "Fight Club" polarisiert wie "Uhrwerk Orange", wie "Natural Born Killers", wie "Seven", wie seit langem kein Film mehr. David Finchers neue Sensation sorgte schon beim Festival in Venedig für heftige Diskussionen. Sie ist, obwohl die Werbung diesen Eindruck vermittelt, kein tumber Prügelstreifen. Und gerade weil die Hauptfigur faschistische Praktiken feiert, keine flott gestylte Fascho-Propaganda. "Fight Club" ist vor allem ein extrem mutiger Film.

Mit einem neuronalen Teaser schießen wir aus dem Innenleben der Hauptfigur direkt auf den Lauf einer Pistole zu. Diese liegt in der Hand von Tyler Durden (Brad Pitt), der sich freut, dass in drei Minuten alles in die Luft fliegt. Wie ein zynischer, aber doch recht glatter Schnösel in diese Situation und zwischen die gigantischen Titten von Meat Loaf gerät, erzählt der Namenlose, von nun an Erzähler Genannte (Edward Norton), zusammen mit furiosen Bildern äußerst komisch. Erst treibt ihn Schlaflosigkeit in die schrecklichsten Selbsthilfegruppen. Nach einem Abend Hoden- oder Darmkrebs, nach Tuberkulose und Tränen schlummert der Spezialist für Autocrashs beruhigt ein. Irgendwann begegnet der verrückte Spießer einem wirklich Verrückten. Zuerst brennt seine perfekt eingerichtete Wohnung ab, dann endet das Saufgelage mit der Zufallsbekanntschaft Tyler Durden in einer freundlichen Prügelei - der Fight Club ist geboren. Frustrierte Männer befreien sich von nun an in einer geheimen Bruderschaft mit gegenseitigen Schlägen in die Fresse und strahlen hernach glücklich aus einem Ensemble heftigster Narben. Typisches Machogehabe wird zum Kult. Der Erzähler folgt Tyler in dessen Bruchbude namens Freiheit und in eine Lebensweise, die Besitz verachtet, den Willen des Einzelnen über alle Moral stellt und immer wieder mit Sprengstoff zu tun hat ...

Vielen wird es schon als Empfehlung genügen, dass "Fight Club" der neue David Fincher ist. Nach dem noch recht konventionell eindrucksvollen "Alien3", der abgrundtief düsteren Sensation "Seven" und dem raffinierten Spiel "The Game" bleibt sich Regisseur Fincher als das Aufregendste, was Hollywood momentan zu bieten hat, treu. Dies ist einfach die wahre David Lynch-Story ("A simple Story") dieses Herbstes. Von Anfang an ist "Fight Club" ein atemberaubender Rausch aus Visionen, nie gesehenen Perspektiven und faszinierenden Bewegungen. Mal betätigt sich die Kamera endoskopisch, mal wird der Film zum begehbaren Ikea-Katalog, mal taucht er mit dem "Poweranimal Pinguin" in die Höhlen des Unbewußten hinab. David Fincher nimmt später die sagenhaften Stilmittel etwas zurück, da hat nämlich die Entwicklung der Geschichte selbst einen Volltreffer gelandet, von dem man sich auch Stunden nach dem Kino noch nicht erholt hat.

So liegt die Durchschlagskraft dieser filmischen Breitseite im gleichen Extrembereich wie die von "Natural Born Killers". Aber nicht das bis zur Unkenntlichkeit Zerschlagen von Gesichtern schockt, es ist der Menschenschlag, der hier nach einem Roman van Chuck Palahniuk entworfen wird. Unverschämt, provozierend, unbedingt auch anziehend und überaus abstoßend. Die Spannweite Tylers unkonventioneller Handlungen reicht von sympathischer Anarchie bis zum brutalsten Terror. Als "Terrorist der Catering-Industrie" pinkelt er Snobs in die Suppe, reichen Frauen verkauft er ihr abgesaugtes Fett als wohlriechende Seife. Ganz nebenbei formt er eine gebranntmarkte Armee, um die dekadente Gesellschaft zum verdienten Zusammenbruch zu führen.

Brat Pitt führt sein Wahnsinns-Werk aus "12 Monkeys" fort und reizt als das schöne Monster Tyler, als Übermensch, als Gott ("In Tyler we trust") aus dem Unterwäschen-Katalog. Sein Gegenspieler Edward Norton bleibt einfach die Verkörperung perfekten, engagierten Schauspiels. Seit dem Lügenspiel in "Zwielicht" macht dieser junge Dustin Hoffman jede Rolle zum umwerfenden Erlebnis, sei es den trällernden Jüngling in Woody Allens "Alle sagen: I love you", den Ex-Nazi in "American History X" oder den opferungsbereiten Spieler in "Rounders". Im "Fight Club" wirkt Nortons Erzähler wie ein Außenseiter im Auge des Sturms. Er hat keinen Namen, führt aber als Einziger das Wort Mensch im Munde. Wenn dann der Schlaflose erwacht, haut es auch den Letzten vom Kinostuhl und die einzige Antwort auf viele Fragen des Films bleibt: Nochmals sehen.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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