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Gundermann

BRD 2018 Regie: Andreas Dresen mit Alexander Scheer, Anna Unterberger, Axel Prahl 127 Min. FSK ab 0

Richtige Legende wurde der ostdeutsche Liedermacher Gerhard „Gundi“ Gundermann, der „Singende Baggerfahrer“ nie. Der Westkarriere nach dem Mauerfall kam er – trotz Auftritt im Vorprogramm von Bob Dylan und Joan Baez – selbst in die Quere. Mit dem Geständnis seiner Stasi-Mitarbeit. Am Anfang schrieb er mit Tamara Danz mehrere Lieder für Silly. Er war eifriger Anhänger des Sozialismus und flog doch aus Offiziersschule und Partei. Gundermann starb 1998, mit gerade einmal 43 Jahren. Regisseur und Ko-Autor Dresen („Halt auf freier Strecke“, „Wolke 9“, „Sommer vorm Balkon“) zeigt ihn in seinem berührend vorsichtigen Film als die bodenständige und zerrissene Figur.

Es sind einfache, fast naive Lieder. Es ist eine alles andere als schillernde Figur, dieser Liedermacher und Baggerfahrer im Hauptberuf. Gerhard Gundermann (Alexander Scheer) singt und begeistert Menschen. Er singt nach der Arbeit und bevor er zu seiner Frau Conny (Anna Unterberger) und der gemeinsamen kleinen Tochter nach Hause fährt. Früher sang er auch nach der Arbeit im Braukohle-Tagebau. Da war Conny noch in seiner Band und mit einem anderen zusammen. Der auch in seiner Band war. Das früher war die DDR und Gundermann hat jetzt eine andere Brille und ein anderes Auto, aber er ist vor allem Gundermann.

Dresen beginnt „Gundermann“ 1992 direkt mit einem Lied in die Kamera, das dem Wessi neu ist, aber trotz Abstand von mehr als Jahrzehnten begeistern kann. Dann gesteht Gundermann in der zweiten Szene seine Stasi-Tätigkeit als MS Grigori einem ehemaligen Freund, den er auch verraten hat. Er windet sich in seiner typisch fahrigen Art vor einer Entschuldigung. Um direkt darauf einen verletzten Igel von der Straße zu retten und zuhause zu pflegen. Diese Zerrissenheit der Figur ist prägend für Gundermann und „Gundermann“. Da lebt ein Mensch – und kann spürbar nicht anders, der dem Minister beim TV-Termin in der Baggergrube seine Meinung geigt und dem feigen Parteisekretär einen Kinnhaken gibt. Der seinen harten Job als Baggerfahrer nicht aufgeben will, weil er nicht von der Musik abhängig sein will, und der gleichzeitig die Freundin seines Bandmitglieds heftig anbaggert. Während „Gundi“ widerstrebend mitmacht, die „Heimat zu verheizen“ bastelt er zuhause eine Dusche mit Sonnenenergie.

Die Hauptrolle spielt mit verblüffend ähnlicher Mimik und kleinen Ticks Alexander Scheer, der alle Lieder im Film mit der Band von Gisbert zu Knyphausen selbst eingesungen hat. Und auch sie wachsen einen im Verlauf des Films ans Herz. „Gundermann“ ist mit schön vielen Liedern fast ein Musikfilm. Wobei die musikalischen Intermezzi selbstverständlich sehr gewählt gesetzt sind. Wie auch der rasche Wechsel zwischen dem Leben in Hoyerswerda während der 70er- und der 90er-Jahre bewusst irritieren könnte, weil Fleischerhemd und Hosenträger ebenso wie das Wesen Gundis gleichgeblieben sind.

Auch Originalaufnahmen zeigen Gundermanns Charakter schnell: Das rutscht er für die Kamera lässig das Geländer vom Bagger runter, um sich dann unten im Schlamm geradeso auf den Beinen halten zu können. Im Film „stolpert“ er mit kleinem Klapprad wie ein großer Junge seinem Schwarm Conny hinterher. Eine Figur, wie für Andreas Dresen gemacht, denkt man. Und unterschätzt dann auch gleich die Filmkunst des Regisseurs, der das Drehbuch zusammen mit Laila Stieler schrieb. Die Melancholie der Bagger-Kabine vor verödeten Braunkohle-Brachen, die Gundermann angeblich zur Inspiration brauchte, bringt fast grandiose Bilder hervor. Aber die wären hier nicht angebracht. Ebenso wenig ein großer konstruierter Konflikt, was bei einer nicht konfliktscheuen Figur nicht einfach ist.

Wie in seinen herausragenden anderen Filmen, der Krankengeschichte „Halt auf freier Strecke“, der Senioren-Liebe „Wolke 9“ oder der Sommer-Liebe in „Sommer vorm Balkon“ erzählt Dresen vom alltäglichen Leben mit einem Ernst und gleichzeitiger Leichtigkeit, die das übliche Überdramatisieren von „Bigger than life“ ganz schön blass aussehen lassen.

Mit dabei sind wieder die bekannten Gesichter von Dresen, Axel Prahl als Stasi-Werber, Milan Peschel als verratener Verräter und Kollege Volker. Anna Unterberger spielt ganz wunderbar Gundis große Liebe Conny. Aber vor allem vollendet Alexander Scheer das Kunststück Dresens, die schwierige Figur Gundermann sympathisch zu machen.


Ein FILMtabs.de Artikel