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Burning

Südkorea 2018 (Beoning) Regie: Chang-dong Lee, mit Ah-in Yoo, Steven Yeun, Jong-seo Yun 148 Min.

Aus einer kleinen Murakami-Geschichte macht „Burning“ eine großartig gefilmte Psychostudie. Die Lethargie eines jungen Koreaners kulminiert in die vielfach ausgezeichneten Film zu einem schockierenden Ereignis.

Kann es verführerisch sein, eine pantomimische Mandarine zu essen? Ja sehr, wenn Haruki Murakami es beschreibt, und auch wenn Chang-dong Lee seine Vision der seltsamen Beziehung zweier junger Koreaner ins Bild bringt.

Der junge Jongsu trifft zufällig seine Schulkameradin Haemi wieder. Das einzige, was er ihr einst in der Schule sagte, war: Sie sei hässlich. Nun wickelt sie ihn locker um den Finger und verführt ihn mit einer raffinierten Mischung aus Unschuld und Naivität. Während ihres Afrika-Trips versorgt Jongsu Haemis Katze – ohne diese je zu Gesicht zu bekommen! Zur Rückkehr steht er am Flughafen bereit, doch seine vermeintliche Freundin kommt in Begleitung eines anderen an. Im Gegensatz zum sehr zurückhaltenden und langsam agierenden Jongsu beeindruckt dieser koreanische „Great Gatsby“ namens Ben mit Charme und Vermögen. Aber plötzlich ist Haemi verschwunden und Ben hat eine neue Freundin. Manisch kontrolliert Jongsu nun die Plastik-Gewächshäuser seines Heimatdorfs im verarmten Grenzgebiet zu Nord-Korea. Ben hat im einst im Rausch erzählt, er würde regelmäßig eines dieser Gewächshäuser anzünden…

Beim großen Erfolg der Bücher von Haruki Murakami überrascht es, wie wenige Romane nur verfilmt wurden, aber die reizvoll verschrobenen Situationen und Figuren des Japaners lassen sich wohl nicht so einfach in Film übertragen. So bleiben circa zehn Kurzgeschichten als Inspiration. Der Roman „Naokos Lächeln“ (Norwegian Wood) wurde 2010 mäßig interessant umgesetzt. Auch nach einer Kurzgeschichte schuf Jun Ichikawa 2004 den faszinierenden „Tonî Takitani“. Ebenso kongenial geht Chang-dong Lee nun vor: Jongsu ist einer dieser Murakami-Männer, die immer die Gelegenheit verpassen, im richtigen Moment bei der richtigen Frau das Richtige zu tun. Als er doch mit Haemi schläft, starrt er nur fasziniert auf den Hauch einer Sonnenreflektion an der Wand der Mini-Wohnung.

Die virtuelle Katze der Pantomime-Schülerin Haemi gehört zu den gelungen übertragenen Ideen. Dass sie als Kind in einen Brunnen – ein bekanntes Motiv von Murakami – gefallen sein soll, gehört zu den Geschichten des Films, deren zweifelhafter Wahrheitsgehalt den Möchtegern-Autoren Jongsu in den Wahnsinn treiben. Rätselhaft bleibt „Burning“ auch am überraschenden Ende. Die große Kunst des mehrfach ausgezeichneten Werks liegt darin, dass diese Rätsel mit einer inneren Stimmigkeit immer interessant bleiben. Dazu machen tolle Bilder und Darsteller „Burning“ zum herausragenden Kino-Ereignis.


Ein FILMtabs.de Artikel