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Copa 71
Zwar belegen Zuschauerrekorde wie 2022 bei Barcelona gegen Wolfsburg (91.648 Zuschauer) das wachsende Interesse am Frauenfußball, doch der „World Cup“ von 1971, bei dem 107.000 Fans im mexikanischen Azteken-Stadion das Finale bejubelten, schien völlig aus der Geschichte gelöscht zu sein. Der Dokumentarfilm „Copa 71“ von James Erskine („Billie – Legende des Jazz“) und Rachel Ramsay holt diesen sportlichen Meilenstein mit tollem Material aus der Vergessenheit hervor.
Der britische Sporthistoriker David Goldblatt erzählt, dass es bereits 1917 in England hunderte Frauenfußball-Clubs gab, bis die Gremien 1920 einschritten. Die Details der patriarchalen Ungerechtigkeiten und die grandiosen Antworten der Frauen darauf sind so mannigfaltig, dass sie jede Aufzählung sprengen. Die italienische WM-Teilnehmerin Elena Schiavo (Jahrgang 1949) verprügelte beispielsweise die Jungs, die sie nicht mitspielen ließen. Eine der englischen Heldinnen unter den vielen spannenden, mit historischen Aufnahmen aus mehreren Ländern montierten Geschichten berichtet vom animalischen Stadionjubel als Kindheitserinnerung.
Dann half die Revolution der 60er Jahre auch den Fußballerinnen. Nachdem die Männer 1970 in Mexiko erstmals im Farbfernsehen zu sehen waren, gab es 1971 einen von Martini Rossi gesponserten – noch heute nicht anerkannten – Weltpokal im gleichen Land. Viele der wenig verwöhnten Teilnehmerinnen flogen auf dem Weg dorthin zum ersten Mal. Der begeisterte Empfang war schon eine Sensation, dann die unglaubliche Kulisse eines der größten Stadien der Welt. Noch heute glänzen die Augen der Frauen, wenn sie davon erzählen. Nebenbei ist auch der Vergleich von jungen und reifen Gesichtern sehr schön.
Die Spielberichte mit erstaunlich gutem Filmmaterial erzählen auf konventionelle Weise ein Drama um das eskalierende Halbfinale zwischen Italien und Mexiko. Vor dem Finale Mexikos gegen Dänemark gab es damals bereits einen Streik der Frauen gegen die lächerliche Bezahlung. Dass es mit dem Frauenfußball nicht so erfolgreich weiterging, ist offensichtlich. Der Euphorie folgte direkt ein erschlagendes Desinteresse. Auch bei den Siegerinnen. Die typische Männerriege der FIFA schlug nach dem großen Erfolg hart zurück und drohte allen nationalen Verbänden, die Frauen zuließen.
Die weitere Entwicklung ist aber kein Thema des wichtigen Films mehr. Nur die US-Spielerinnen von heute dürfen ihren Vorgängerinnen in den letzten fünf Minuten huldigen. Begleitet von Frauen-Rock und mit Tennisstar Serena Williams als Erzählerin sowie Produzentin des Originals sind diese 93 Minuten Geschichtskorrektur interessanter als die meisten Fußballspiele – aller Geschlechter.
„Copa 71“
(Großbritannien/USA 2023) Regie: James Erskine, Rachel Ramsay, mit Carol Wilson, Nicole Mangas, Elena Schiavo, 93 Min., FSK: ab 0.
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- Publiziert von:
- Günter H. Jekubzik, 09.07.2025 / 3:21
- Rubrik:
- Kritiken GHJ
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