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Studio 54

USA 1998 (Studio 54) Regie und Buch Mark Christopher, 93 Min. mit Ryan Phillippe, Salma Hayek, Mike Myers, Neve Campbell

Shane O'Shea (Ryan Phillippe) lebt in New Jersey, auf der anderen Seite des Flusses locken die Lichter New Yorks. Es ist 1979 - der Disco ist aus dem Untergrund der Subkultur ins Establishment emporgewachsen. Studio 54, ein ehemaliges Fernsehstudio, ist die berühmteste Disco der Welt, der Kulttempel für Promis, extravagante Partytypen und tanzfreudige Exhibitionisten. Im Kellerraum tummeln sich Andy Warhol und Truman Capote, auf der Tanzfläche Schwule und Schwarze. Das Ritual vor dem Einlaß ist jeden Abend das Gleiche. Steve Rubell (Mike Myers), der Studioboß mit seiner schallend dreckigen Lache, stellt sich persönlich sein Publikums zusammen. Doch diesen Abend wird Shane aus der großen Menge bettelnder Möchtegern-Gäste auserwählt und tritt in eine andere Welt ein: Glanz, Glitter, Musik, hier kann er endlich leben! "A place to be", wie es so wesentlich im Englischen heißt.

"Studio 54" ist auch ein Ort, an dem man und frau wichtige Leute treffen und vom schnellen Aufstieg träumen kann - wenn man dafür den Preis zu zahlen bereit ist. Die Garderobiere Anita (Salma Hayek) träumt von der Karriere als Sängerin. Der Soap-Star Julie Black (Neve Campbell autobiographisch?) möchte endlich richtige Filmrollen erhalten. Ganz unten, bei den Jungs mit knackigen Shorts und nacktem Oberkörper geht es darum, wer vom Kellner zum Barkeeper aufsteigt. Auf dieser Ebene zählt nur das Aussehen; Versuche, mit den Gästen auch gesellschaftlich zu verkehren, geraten zum peinlichen Desaster. Der Auserwählte Shane wird als origineller Tölpel vorgeführt, erhält sich aber sein reines Herz und selbst die Liebe, oder zumindest die Freundschaft zu Greg (Breckin Meyer) und Anita kann überleben. Der betonte Beginn einer neuen Dekade, der 80ger, ist gleichzeitig das Ende dieses Discolebens: "The Last Days of Disco" wie ein anderer Film über diese Epoche heißt.

Obwohl die Musik mehr sentimental stimmt als mitreißt, erklingt "Studio 54" auch als Hymne des Disco. Mit vielen bekannten Songs die sich bedeutsam auf Handlung und Stimmung beziehen. Dabei stellt das Studio 54 nach dem Handbuch der "DJ Culture" von Ulf Poschardt längst das Ende des wahren Disco dar, der aus dem Underground, den Subkulturen der Schwarzen und Schwulen herauswuchs. Trotzdem funktioniert das Studio 54 als Symbol eines Exzesses, der mit der Antibabypille begann und mit AIDS endete. Disco war die Zeit dazwischen, in der man sich beim Sex höchstens einen Tripper holen konnte. Die Euphorie eines neuen Lebens gipfelt in Steves Ausruf "It's a new world out there", all die alten Worte und Bezeichnungen, all die Vorurteile griffen nicht mehr.

(Um den Zeitwechsel klar zu machen: den Statisten mußte erklärt werden, daß die Hosen nicht zu eng seien, wenn man nur den Reißverschluß noch zubekäme. Auch die häufig geschluckten Pillen waren noch kein Extacy.)

Die Szenen- und Musik-Geschichte ist mehr als das kleine persönliche Erlebnis vom ungeliebten Sohn Shane, der sich eine neue Familie im Studio 54 sucht und eine kleine Romanze mit einem kleinen Star aus den gleichen kleinen Jersey-Verhältnissen erlebt. Es ist wie bei vielen Revivalfilmen (zuletzt "Velvet Goldmine", "Boogie Nights") die Geschichte eines Clubs, einer Epoche und wie immer einer kurzen, verlorenen Zeit des Glücks. Der Ablauf bis zum vielsagenden "The Party is over" gleicht sich: Ein Landei stolpert in die heiße Szene, wird in einem Rausch von Drogen, Musik und Lebenslust aufgesogen und mit dem Niedergang der Modebewegung wieder ausgespuckt. "Studio 54" ist in einem Punkt sehr positiv: Er verrät nicht seine Szene und Zeit wie es viele andere Filme (Wasted, Punk) tun.

"Studio 54" geht mit einigen guten Momenten auf jeden Fall unterhaltsam und aufrichtig mit seiner Epoche um. Gute Darsteller, darunter der Komödiant Mike Myers als "Party Animal" Steve mit ernsten, traurigen Zügen, tragen die Handlung; Ausstatter und Musik kümmerten sich um die Stimmung. Als tragikomische Zugabe gibt es ein Wiedersehen mit der Disco-Oma Ellen Dow aus der "Hochzeit zum Verlieben".


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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