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Michael Chauvistré Interview

(zur Premiere von "Schau mich nicht so bösean")

Von Günter H. Jekubzik

Ein wundersamer Anblick erwartete Gäste des Atlantis amDonnerstagabend: Weihnachtsmänner standen im Foyer, verteiltenPrinten und umringten immer wieder einen dunkelhaarigen Herrn inAnzugjacke. Der 38-jährige Regisseur Michael Chauvistrékam nach einem spektakulärenAuftritt in Cannes, nach TV-Besprechungen seines neuen Films beiPremiere und bei WDR-Lokal zurück nach Aachen, in seineGeburtsstadt, die ihm erste intensive Begegnungen mit Filmbescherte.

Die Dokumentation "Schau mich nicht so böse an" zeigt einenwundersamen Heiligabend zwischen Alltagskomödie underschreckender Tristesse. Michael schickte drei Kamerateams in Berlinlos, um Leihweihnachtsmänner bei ihrem hektischen underlebnisreichen Ein-Tages-Job zu begleiten. Auf die Idee brachte ihneiner dieser Leihnikoläuse mit seinen skurrilen Storys,erzählt der auskünftsfreudige Filmemacher im Gespräch.Es sollte jedoch kein Interviewfilm mit Befragungen der studentischenWeihnachtsmänner werden. Michael wollte immer schon mal etwasmachen, "wobei die Drehzeit beschränkt ist, das Ganze aber irreaufwendig". Außerdem fielen ihm immer die "vorweihnachtlichenLichtshows in den Fenstern" auf, und er fragte sich, "was mag wohldahinter los sein". Mit den Weihnachtsmännern bekam er die"Eintrittskarte" ins familiäre Allerheiligste am privatesten Tagaller Christen.

Zu seinem Studium kam Michael Chauvistré 1982 aus demkinofreien Simmerath nach Aachen und landete gleich in den Kreisendes studentischen Filmstudios. "Die boten nicht nurFilmvorführungen an, sondern angeblich auch die Möglichkeitauf 16mm zu drehen und zu schneiden." Bald wurde ihm jedoch klar,"die drehen überhaupt nichts!" Dafür hatten sie ein sehrgutes Programm und es gab für jede Kinokarte 5 DM Zuschuß."So konnte ich durch das Filmstudio ganz massiv Filme sehen und habedabei ein Gefühl für's Kino bekommen." Dazu kamen ab 1983Fahrten zur Berlinale, nach Cannes und Venedig. Eine eigene Filmreihezur Weimarer-Zeit organisierte er und als ihm zu Ende des Studiumsseine Ente abbrannte, drehte er mit Freunden doch noch einenKlamaukfilm um das Autowrack. Ab 1986 studierte er dann inMünchen an der renommierten Hochschule für Film undFernsehen, erste Kurzfilme folgten. Mit "Malsehen, was draus wird" entdeckte man überrascht dasdokumentarische Talent Michaels: Angenehm zurückhaltendporträtierte er das mecklenburgische Dorf Lübzin zur Zeitder ersten und letzten freien DDR-Wahlen im März 1990 und kamauch für eine Fortsetzungins Dorf zurück. Ostsee-Fischer in "Wenndich keiner sieht und keiner hört" oder eine Kommune in"Klein Hundorf"waren weitere Themen aufmerksamer Dokumentationen nahe dran an denMenschen.

Zur Zeit lebt Michael Chauvistré in Berlin, arbeitetzwischendurch alsKameramann, aber da der Dreh seines nächsten Films wohl inMünchen stattfinden wird, wäre auch wieder ein Umzugmöglich. Die bekannte Regisseurin Doris Dörrie ("Binich schön?") initiierte in einem Drehbuchseminar an der HFFdie Idee eines Episodenfilm rund um das Möbelhaus Ikea.Fünf Kurzgeschichten zu diesem Stück Alltagskultur sollenim nächsten Frühjahr gedreht werden. Mit einer von ihnenrealisiert Michael dann auch seinen Abschlußfilm, zu dem er vorlauter Filmemachen bislang nicht gekommen ist.

Weshalb jetzt wieder, immerhin neun Jahre nach dem letztenKurzfilm, ein fiktionales Werk? Das Beispiel von "Schau mich nicht soböse an" zeige, "wirklich sehen, wie so eine Familie lebt, dasgeht im Dokumentarfilm nicht." Jetzt wolle er mit einerdokumentarischen Recherche an die Menschen und das Thema rangehen undes dann im Spielfilm umsetzen. Außerdem ist irgendwann ist einPunkt erreicht, "wo man sein Handwerk beherrscht und dann etwas Neuesausprobieren will."


Ein Porträt von GünterH. Jekubzik

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