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Pleasantville

USA 1998 (Pleasantville) Regie Gary Ross, 123 Min.

Change is good! / Leben ist Veränderung!

Während alle Zukunftsprognosen - sei es in Bezug auf Jobs, Gesundheit oder Umwelt - extrem düster sind, bietet die alte Familienserie "Pleasantville" in ihrer schwarzweißen, heilen Welt der Fünfziger den idealen Fluchtpunkt. David (Tobey Maguire) ist ihr denn auch völlig verfallen, dieser Gegenwelt zur Scheidung seiner Eltern, zum Frust in der Schule. David kennt alle Folgen, die neuen und die alten bis ins kleinste Detail. Das Leben ist ihm dagegen eher fremd. Anders seine Schwester: Jennifer (Reese Witherspoon) ist eine Variante von Kelly Bundy - ebenso blond und scharf auf Jungs. Nach einem Streit der Geschwister zwischen MTV und der langen Pleasantville-Nacht, transportiert ein mysteriöser Fernseh-Mechaniker die beiden in die schwarzweiße, sterile Welt der Fernsehserie Pleasantville.

David nimmt die Zwangsversetzung in das Leben des Serienhelden Bud mit Erstaunen und Wohlgefallen hin. Jennifer dagegen ist entsetzt über die Farblosigkeit und ihre antiquierte Lieblichkeit als Mary-Sue, doch schließlich gibt es auch hier knackige Jungs. Die anderen Ideen des Mädchens von heute zeigen allerdings bald Auswirkungen in einer Welt, in der beim Basketball alle Würfe treffen und alle Leute breit grinsen. Eine graue Stadt, die kein Feuer, keinen Regen und vor allem keinen Sex kennt. Nach einer ersten Nacht mit Jennifer verpaßt der Mannschaftskapitän jedoch den Korb und sieht eine ROTE Rose!

Diese Fernsehserie ist ein Märchen aus der Zeit, als die Familien noch glaubten, heil zu sein und Berge ungesunden Zeugs zum Frühstück auftischten. Es gibt in Pleasantville nur zwei Straßen und nichts dahinter. Langsam fassen die Bewohner von Pleasantville Mut, die eigene Farbigkeit - sprich: Schönheit - nicht mehr unter grauer Schminke zu verstecken, sie sehen sich im Spiegel neu. Der Film führt immer mehr Spaß an den einfachen Dingen des Lebens vor, der Chef des Imbiß (Jeff Daniels) entdeckt als erster seine Individualität und entwickelt sich nach Überwindung einer unausweichlichen Sinnfrage rasant zum mutigen Maler. Plözlich tönt Jazz aus seinem Laden, die leeren Buchseiten füllen sich - zumindest soweit die beiden Neuzugänge im Ort sich an die Klassiker erinnern können.

Doch wie so oft wird Emanzipation mit Neid und Haß beantwortet. "Pleasantville" beginnt als spielerischer Spaß und legt auf packend unterhaltsame Weise den Horror hinter heilen Welten bloß. Daß die durch Erleben farbig gewordenen Menschen vom Bürgermeister Big Bob (J.T. Walsh) als "Farbige" diskriminiert werden, daß Bücher verbrannt, Scheiben eigeworfen werden, verweist unübersehbar auf viele totalitäre Ideologien. Doch das schlimmste Gift ist die Angst vor Veränderung. Der Wunsch, zu bewahren, zu konservieren, raubt dem Leben alle Freude.

Wie in der "Truman Show" geht es darum, den diktatorischen Wahn eines sicheren Lebens ohne Veränderungen vorzuführen. Doch die raffinierte und technisch ausgeklügelte Komödie bleibt nicht am sinnleeren Spiel mit den TV-Bildern hängen wie es etwa "Jack allein im Serienwahn" oder "Stay Tuned" tun.

Es gäbe endlos viel aus diesem dichten Film zu erzählen, doch das kann er besser selbst. Mit trefflichen Bildern und Metaphern für das freudige Entdecken des Menschen. Ein erster Orgasmus entflammt den Ort und der Biß in den Apfel - na ja - tut das Übliche. Nicht nur die Musik macht die Szenen ergreifend, eine Fahrt zum Liebessee aus dem grauen Ort durch einen leicht rosanen Blütenregen bis zum Stelldichein der Liebe mit seinen prallen Farben bewegt auch das Herz.

Und sage niemand, dieser Film sei "nett" (pleasant). Denn es gibt genügend freche, bissige Scherze, wie den Familienvater George (William T. Macy), dessen vertrautens "Liebling, ich bin zuhause" in der leeren Wohnung verhalt und der angstvoll fragt: Wo ist mein - Abendessen?


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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