Fargo

USA 1996 (Fargo) Regie Joel Coen, mit Frances McDormand, William H. Macy, Steve Buscemi, Harve Presnell, Peter Stormare u.a., 97 Min.

Bislang realisierten die Coen-Brüdern atemberaubend wahnsinnige Bilder: Den scheinbar unendlichen Sprung von Tim Robbins aus "Hudsucker", der höllisch flammende Hotelgang aus "Barton Fink", die überdreht rasanten Fahrten aus "Arizona Junior". Wenn jetzt ein Mann geschäftig an der Häkselmaschine steht und mühsam ein Bein mit Turnschuh hineinpreßt, liegt der eigentliche Wahnsinn hinter den eindrucksvoll gewöhnlichen Gesichtern verborgen.

"Fargo" erzählt ein ganz normal brutales Verbrechen. Die Gangster beherrschen nicht die Szene mit dem so beliebten coolen Pulp-Touch. Das Entsetzen über höchst unsinnige Morde kann sich noch ausbreiten. Denn der von Jerry "geplante", ganz einfache Versicherungsbetrug mit vorgetäuschter Entführung zieht eine enorme Blutspur hinter sich her. Es war der letzte Versuch Jerrys, Konto und Selbstbewußtsein in positive Höhen zu bringen. Das Berufs- und Familienleben des frustrierten, kleinen Autoverkäufers wird vom reichen Schwiegervater terrorisiert. Um einmal etwas eigenes zu probieren, braucht Jerry das Lösegeld für seine Frau, die er von nicht besonders vertrauenswürdigen oder intelligenten Gangstern entführen läßt.

Nachdem die Sache gewaltig schief geht, tritt die Sensation des Films auf: Der schwangerere Sheriff Marge Gunderson (Frances McDormand) tut wirklich nichts, was von Ermittlern erwartet wird. Mit Naivität, die tief durchtrieben wirkt - oder umgekehrt - heftet sie sich auf die Spur jeder üppigen Mahlzeit, staunt über die wundersame Welt außerhalb der Kleinstadt ("Jesses") und verfolgt ein Verbrechen, das eigentlich zu idiotisch abläuft, um jemals gelöst zu werden. Da liegt das Polizeibüro von "Twin Peaks" näher als selbst die unkonventionellen Untersuchungsmethoden von "Columbo". Alle diese Menschen aus dem verschneiten Minnesota haben skandinavische Nachnamen und es haftet ihnen eine verstörende Langsamkeit an. Die Coen-Brüder kennen diese Ecke gut, sie stammen aus St. Louis Park, einer Vorstadt von Minneapolis.

Trotzdem (ge-)fällt "Fargo" nicht einfach, bleibt irritierend mit der überfließenden Freundlichkeit der Randfiguren, deren grinsende Zahnreihen ja einfach nach Ärger schreien. Sind die Episoden um Marge - vor allem eine peinliche Schulfreund-Begegnung der erinnernden Art - etwas anderes als Soap Opera? Wenn sich Marges Mann bescheiden freut, daß seine Wildente in Öl die 3 Cent-Briefmarke zieren soll, prallen das große Gangstertum und bürgerliche Biederkeit aufeinander.

Die Coens filmten diesmal sehr real, mit nur einigen kurzen Ausbrüchen des Absurden. Die Figuren sind so normal, daß die komischen Momente im wechselnden Rhythmus bedenklos funktionieren. Ein meist schwerer Ernst der Musik betont die Tragik der Geschichte.

Günter H. Jekubzik

Vier lachende Fragezeichen


Eine Kritik vonGünter H.Jekubzik

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