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Matrix

USA 1999 (The Matrix) Regie Larry und Andy Wachowski, 136 Min., mit Keanu Reeves, Laurence Fishburn, Carrie-Anne Moss FSK ab 16

Alice im Cyberspace

Von Günter H. Jekubzik

Was kommt raus, wenn man akrobatische Kung Fu-Fighter, Cyberspace und viele, viele bedeutungsschwangere Mythen paart? Gut gestylte Action, die trotz vieler Leerstellen voll im Trend liegt!

Der Programmierer Neo (Keanu Reeves) handelt mit illegalen Cyberspace-CDs und glaubt, sein Leben voll im Griff zu haben. Doch der mysteriöse Morpheus (Laurence Fishburn) weckt ihn - entgegen seiner einschläfernden Rolle im Mythos - aus der Täuschung, die alles überzieht. Wie einst Adam und Eva steht auch Neo vor einer folgenschweren unumkehrbaren Entscheidung: Erkenntnis oder süßer Schlaf. Techno-zeitgemäß sind die Früchte vom Baum der Erkenntnis bunte Pillen! Neo wählt rot und ein aufsehenerregender Trip beginnt ....

Neo soll der langerwartete Messias sein, der den Kampf gegen die Maschinen anführt. Die haben nach dem entscheidenden Krieg Menschen zu reinen Rohstofflieferanten umfunktioniert, die ihre gesamte Existenz nur noch träumen. Matrix heißt die virtuelle Welt, die allen vorgetäuscht wird und die Untergrundkämpfer um Morpheus und Trinity (Carrie-Anne Moss) wollen die Menschheit aus der unverschuldeten Unmündigkeit erwecken.

Nach dem ersten bedeutenden Computerfilm "Tron" begann ein Wettrüsten von Rechnerkapazität und immer aufwendigeren Tricks: Jedes Filmjahr hat seitdem seine neuen, technischen Sensationen und oft ist die Computertechnik selbst wiederum Thema. In "Matrix" wird ein verwirrendes Spiel um Cyberspace und eine gar nicht mehr reale Realität aufgezogen. Wieder wird Keanu Reeves wie schon in "Johnny Mnenomic" mit Rechnern und Datenleitungen verknüpft. Seine Figur erlebt exemplarisch, wie die Fassade einer alten Welt zusammenbricht und völlig neue Überlebenstechniken erlernt werden müssen. Das ist deutlich eine Metapher für das Empfinden vieler Menschen gegenüber neuen Techniken und Medien.

Die schon in ihrem Erstling "Bound" erfreulich kräftige Inszenierung der Brüder Larry und Andy Wachowski wird äußerlich abgerundet mit sehr witzigem und originellem Technik-Schnickschnack. So erhält der Agentenfilm-Standardsatz "Du bist verwanzt" unter der Haut von Neo eine sehr drastische, krabbelnde gar nicht mehr sinnbildliche Bedeutung. "Matrix" erinnert etwas an das Styling von Bond-Filmen, nur diesmal vor einem fantastischen Hintergrund. Die Gedanken des Films spielen mit einer alten Kulturfrage, die angesichts des Cyberspace neuen Schwung erhält: Was ist real, was Traum? Die Hinweise zu vielen untergemischten Mythen sind immer sehr deutlich: Wenn jemand Cypher heißt, ist er ganz sicher so hinterhältig wie sein Namensvetter Luzifer.

"Matrix" täuscht mit Action, vielen Tricks und packendem Zukunfts-Design über nicht konsequent zu Ende gedachte Themen hinweg. Alice im Cyberspace wäre als Titel nicht so zugkräftig gewesen aber ebenso treffend wie "Hacking Buddha" oder "Der Programmierer von Oz". Keanu Reeves läßt seine Rollen aus "Little Buddha", "Speed" und "Vernetzt - Johnny Mnemonic" verschmelzen: Ein Messias im Cyberspace mit treffendem Fußkick. Wie alle anderen sieht er in den glänzend-schwarzen Klamotten verdammt gut aus. Die Kampf-Einlagen im Stile des Hongkong-Kinos beherrscht er mit Hilfe vieler, später wegretuschierter Halteseile.

Wie es sich für so stilvolle Science Fiction gehört, mischt sich auch eine gehörige Portion Anachronismus in die Zukunft: Die Rückkehr aus der Matrix kann nur an bestimmten Schaltstellen erfolgen, an denen sich Telefon mit Wählscheiben (!) finden. Zum eindrucksvollen Design des Film gehören auch viele Spiegelungen: Wie üblich in coolen Brillengläsern, aber auch ungesehen und fantastisch bei Neos Start in die Matrix: Ein Spiegel verflüssigt sich und überzieht der erschreckten Neo. Nachdem der "Schein" komplett von ihm Besitz ergriffen hat, erwacht der Mensch in seiner wahren, nackten Form.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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