Der Krieger und die Kaiserin

BRD 2000 (Der Krieger und die Kaiserin) Regie und Buch Tom Tykwer

Tykwer hat es schwer: Nach drei gänzlich unterschiedlichen, aber gänzlich außerordentlich guten Filmen sind die Erwartungen an "den neuen Tykwer" extrem hoch.

Sissi - Franka Potente diesmal als blonde weiße Krankenschwester - mögen alle. Bei der sehr hilfs- und opferbereiten Simone, so ihr eigentlicher Name, fühlen sich alle Patienten wie Zuhause. Für das freundliche bis gefährliche Ensemble der Heilanstalt ist sie Liebling der Abteilung. Ein Brief ihrer Freundin Maike bringt sie auf den Weg zur Bank. Doch es kommt ganz schnell und umwerfend anders: Bodo rennt - vor irgendwelchen Tankstellenmenschen weg und Sissi stirbt dadurch fast. Nur durch eine einschneidende Maßnahme kann der Ex-Soldat Bodo (Benno Führmann) ihr Leben retten, um daraufhin zu verschwinden. Allein ein Knopf von seiner Bundeswehrjacke bleibt ihr.

Die Begegnung von Kaiserin - Sissi - und Krieger ist ein sagenhafter Moment, bei dem Pfefferminz in der Lunge brennt. Kleinkariert grüne Blümchentapete mit dem freiheitsehnenden Möwenposter im Schwesternheim bestimmte bisher anscheinend ihr Leben. Erst als sie unterm Laster liegt und Bodo riecht, ahnt sie, dass sie mit so einem auch "draußen" glücklich sein könnte. Damit die Liebesgeschichte weiter geht, wird Sissi wie durch ein Wunder wieder gesund und dann muss ein blinder Patient mit telepathischen Fähigkeiten Sissi zu ihrem Retter führen. Aber Bodo hat seine eigenen Probleme, will mit seinem Bruder Walter (Joachim Kròl) vor allem ganz weit weg und plant dafür den ganz großen Raub. Irgendwann entdecken wir dann den Knoten in beider Leben: Sie traut sich nicht aus der Anstalt raus, er kommt nicht vom Klo runter ...

Tykwer löst diesen Knoten ziemlich gordisch und diese Lösung ist dann wieder sehr schön überraschend. Denn nach einem atemberaubenden Auftakt geriet die Geschichte in der zweiten Hälfte zur sehr auf die Schwebebahn. So ganz stimmt das alles nicht mit den psychologischen Ecken, Kanten und Windungen. Was Sissi in der Anstalt hält, wird arg vernachlässigt. Die Soldaten-Vergangenheit der drei Freunde hat doch - im Gegensatz zu "Winterschläfer" nichts mit der Störung Bodos zu tun. Und weshalb ist er denn in jeder Faser der titelgebende Krieger? Könnte er nicht auch Feuerwehrmann sein?

Trotzdem bleibt Tykwer der interessanteste Regisseur unserer alten und neuen Länder. Motive seiner drei bisherigen Filme treffen sich in dieser originellen Romanze: Aus der "Tödlichen (Pflegerin) Maria" wird der blonde Engel Sissi. Bodos Sprint durch die Straßen ist eine komprimierte, ungemein dynamische Kurzform von "Lola rennt". (Da werden viele Action-Amis aufschauen!) Die Flüge über die Stadt haben die gleiche euphorisierende Wirkung wie im "Winterschläfer". Das ganze spielt sich in der ungewöhnlichen Kulisse Wuppertals ab - 28 Jahre, nachdem Wenders dort "Alice in den Städten" drehte. Auch das Setting der Räume überzeugt, genau wie die von Tykwer und zwei Kollegen unter dem Namen Plan3 komponierte, extrem spannende Musik. Für den Schlußsong holte man sich sogar die Sängerin von Skunk Anansie dazu: Plan3 feat. Skin bringen "You can't find peace". Dazu ist das Ensemble eine ganze Auslage von Creme-Schnittchen des deutschzüngigen Schauspiels. Franka Potente wird beim Partner Tom Tykwer nicht langweilig, Führmann erst interessant. Die Dialoge stimmen, Bodo und Walter in ihrer Hütte auf einem Bergischen Hügel erweisen sich als Meister knapper Sätze.

Ein Tykwer also wieder, auf den man sich freuen kann. Und dann sind wir richtig gespannt auf den US-Dreh "Heaven" ... (Fortsetzung folgt)


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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