Anatomie

BRD 1999 (Anatomie) Regie und Buch Stefan Ruzowitzky, 103 Min.

Schwester, Skalpell! Sorry, geht gerade nicht. Es ist die eigene Hand, die fachmännisch bis auf den Knochen bloßgelegt wird. Mit solch schauerlichen Aussichten eröffnet der Gesundheitssystem-Schocker "Anatomie".

Die ehrgeizige Medizinstudentin Paula (Franka Potente) geht für einen anatomischen Elitekurs nach Heidelberg, dort wo am renommiertesten seziert wird, wo eine Ausstellung plastinierter Körper auf lange Traditionen in der Körpererkundung hinweist. Die Zufallsbekanntschaft David wird nach Paulas Eintreffen erstes Opfer seltsamer Forschungspraktiken. Dann folgt ein rapides Ausscheiden und Ausschneiden bei lebendigem Leibe. Wer noch fünf Finger übrig hat, kann sich an diesen abzählen, wer übrig bleiben wird oder wer hinter einer extrem unappetitlichen Schnippelei steckt. Etwa der gelernte Metzger Caspar oder der ewig anmachende Scherzkeks Phil.

Mit dem Grundsatz "Es gibt für alles eine wissenschaftliche Erklärung" ist Paula jedoch gegen grobe Studentenscherze gefeit und geht auch horrenden Entdeckungen neugierig auf den Grund. Bald heißt es "Paula rennt", denn die Heldin - früher nannte man sowas Streberin - wird gespielt von Franka Potente, die vor allem in "Lola rennt" von ihrem Lebenspartner Tom Tykwer groß heraus kam. Benno Fürmann , der demnächst auch in Tykwers neuem Film "Der Krieger und die Kaiserin" neben Franka spielen wird, ist mit der "Anatomie" eines sensiblen Kraftprotzes überzeugend zum Fürchten.

In das romantische Setting Heidelbergs, zwischen Tradition und modernem Seziersaal, hat sich ein zeitloser Wahnsinn eingenistet. Paula sieht sich als Nachfolgerin ihres Opas, des berühmten Professors. Während ihr Großvater universitär Karriere machte, blieb der weniger geschätzte Vater (Rüdiger Vogler) mit einer Praxis nahe bei den Menschen bescheiden. Überdeutlich wie die psychologischen Eckpfeiler der Personen wird auch alles andere in diesem klinischen Schocker.

Während die Anästhesie für die blank liegenden Nerven ausbleibt, fällt die Ästhetik ins Coma und die messerscharfe Spannung versinkt im bluttriefenden Splatter. Der vorgeschobene Hintergrund kritisiert rücksichtslose Lebenserhaltung und die verantwortungslosen Weißkittel. Er geht zurück zum Nazi-Gedankenschlecht, läßt aber auch moderne Medizinstudenten nicht gut aussehen.

Zwischen all diesen Ansätzen, die auch schon Hugh Grant in "Extreme Measures" verfolgte, finden sich nur wenige von den guten Bildern, mit denen Regisseur Stefan Ruzowitzky bei den "Siebtelbauern" so begeisterte. Aber Ruzowitzky wollte ganz bewußt mal einen Genrefilm drehen. Und mit den Deutschen und den Genres ist es ein schwieriges Ding, auch wenn sie Österreicher sind.

http://www.anatomie-der-film.de


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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