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Kinds of Kindness
Halb acht erwachen, Sex mit der Ehefrau, Müsli und Joghurt zum Frühstück, 23 Uhr 30 Licht aus. Auf den Karteikarten, die Robert (Darstellerpreis in Cannes: Jesse Plemons) täglich erhält, ist sein Tagesablauf minutiös aufgelistet. Der erfolgreiche Angestellte lebt in einem schicken Haus, fährt ein luxuriöses Auto und muss sich keinerlei Sorgen machen. Doch der Luxus kommt mit einem Preis: Robert muss tun, was Raymond von ihm verlangt. Bisher hat er das immer getan, ohne Fragen zu stellen. Doch als sein Boss von ihm verlangt, ein Menschenleben in Gefahr zu bringen, steigt Raymond aus und sein Leben gerät aus der Bahn.
Der Auftakt von Yorgos Lanthimos’ Episodenfilm ist vielversprechend. Jesse Plemons brilliert als Türöffner für die irre Gedankenwelt des griechischen Regisseurs und Drehbuchautors. Willem Dafoe ist herrlich aalglatt und fies und die Suspense-Schraube zieht sich immer weiter zu, bis zum konsequenten Schluss. Der Abspann läuft und eine neue Geschichte beginnt. Hier ist Plemons nun als Cop zu erleben, dessen Frau (Emma Stone) vermisst wird. Kurz bevor er endgültig daran zerbricht, taucht sie wieder auf. Doch er ist davon überzeugt, dass sie ausgetauscht wurde. Schließlich sind Plemons und Stone als Handelsreisende eine Kults auf der Suche nach einer Auserwählten, die sie zu ihrem Guru (Dafoe) überführen sollen. Der Fokus der Handlung verschiebt sich auf Stone, die versucht ihr früheres Leben mit Ehemann und Tochter in Einklang mit ihrer Aufgabe zu bringen – und daran zerbricht.
Hoffnungslosigkeit prägt die drei Episoden. Das scheint auf den ersten Blick neben den Darstellenden der einzige Nenner zu sein, den die Geschichten gemeinsam haben. Die stilisierten Bilder von Lanthimos’ Stammkameramann Robbie Ryan und die weirde Musik von Jerskin Fendrix, die beide zuletzt meisterhaft an »Poor Things« mitwirkten, sorgen für eine durchgängige Atmosphäre des Unbehagens. Mit dem endgültigen Abspann stellt sich jedoch eine Leere ein. Wo der diesjährige große Oscargewinner förmlich überfloss vor Idee und Inspiration, muss man bei »Kinds of Kindness« tiefer graben, um auf die Bedeutungsebenen zu stoßen. Lanthimos’ neunter Spielfilm steht dabei eher in der Tradition seiner trostlosen Frühwerke wie »Alpen« und »Dogtooth« als dem zugänglichen Publikumshit »The Favourite«. Wen das eher abschreckt: Sein nächster Film mit Plemons und Stone ist bereits in Produktion.
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- Publiziert von:
- Lars Tuncay, 08.07.2024 / 11:45
- Rubrik:
- Kritiken LT
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